Hintergrund Gorleben: Berg- oder Atomrecht?
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte im Wahlkampf das atomare Versuchsendlager Gorleben für "politisch tot" erklärt. Laut seiner Diktion müsste man nun von einer politischen Wiederauferstehung sprechen, denn in dem Salzstock werden die Erkundungen bald fortgesetzt. Daran lassen die Zwischenergebnisse der Koalitionsverhandlungen von Union und FDP in Berlin keinen Zweifel mehr. Unklar ist allerdings noch, ob diese Erkundungen wie bisher weiter nach sogenanntem Bergrecht oder nach Atomrecht durchgeführt werden. Davon hängt ab, ob die Öffentlichkeit an dem umstrittenen Endlagerprojekt beteiligt wird oder nicht.
Wegen Zweifel an der Eignung von Gorleben hatte die ehemalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 ein Moratorium für die Erkundung verhängt. So gut wie sicher ist, dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung dieses Moratorium aufheben wird. Vor dem Moratorium war der Salzstock im dünn besiedelten Wendland seit Ende der 70er Jahre unter Bergrecht erkundet worden - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Das Bergrecht sieht nämlich keine formale Beteiligung der betroffenen Bevölkerung vor. Es dient in erster Linie der Aufsuchung von Bodenschätzen. Im konkreten Fall Gorleben wurde es aber auch für die Erkundung eines Endlagers für radioaktive Abfälle genutzt, was grundsätzlich durch das Bundesverwaltungsgericht für legitim erklärt worden war.
Beim Atomrecht - unter dem seit Anfang des Jahres auch das marode Atommülllager Asse betrieben wird - ist die Beteiligung der Öffentlichkeit dagegen ein zwingender Bestandteil des Verfahrens. Die Bürger werden nicht nur informiert, sondern sie können das Verfahren vor Gericht überprüfen lassen. Mit seiner Regelung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle gibt das Atomrecht überdies den Rahmen für den Nachweis der Sicherheit eines Endlagers, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes.
Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin zeichnet sich unterdessen eine dritte Lösung ab. So wollen Union und FDP Gorleben offenbar weiter unter Bergrecht erkunden, allerdings die Öffentlichkeit und "internationale Wissenschaftler" dabei miteinbeziehen. Dies deutete am Dienstag Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) an, der die Liberalen bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin in der Fachgruppe "Landwirtschaft und Umwelt" vertritt.
Wie diese Verquickung von Berg- und Atomrecht im Fall Gorleben im Detail aussehen soll, sagte Sander nicht. Die Details werden Union und FDP wohl spätestens im Koalitionsvertrag erklären, der Ende des Monats stehen soll. Die örtliche Bürgerinitiative im Wendland äußerte am Dienstag schon die Sorge, dass Schwarz-Gelb die Öffentlichkeit beim wiederauferstandenen Projekt Gorleben weiter unterlaufen wolle.
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