Anti-AKW-Bewegung bekommt Zulauf
Durch den wahrscheinlichen Beschluss der neuen Bundesregierung, die Laufzeiten der AKW zu verlängern, bekommen die Atomkraftgegner wieder Auftrieb. Ein Beispiel aus Baden-Württemberg, wo sich der Widerstand gegen das AKW Neckarwestheim formiert.
Der Reaktor Neckarwestheim I war 1976 in Betrieb genommen worden und ist der zweitälteste der derzeit 17 produzierenden Atommeiler in Deutschland. Knoll gehört zu den Gründern der "Energiewende Heilbronn", die sich über regen Zulauf freut. Bis vor einigen Monaten seien die Atomgegner in Heilbronn "ein Häuflein von Einzelpersonen" gewesen, sagt sie. Mehrere Dutzend Aktivisten seien nun beigetreten. Inzwischen verfüge die Initiative über ein gut vernetztes System, mit dem sich Aktionen einfach organisieren ließen. Neue Aktionsformen, wie Flashmobs, bei denen sich Aktivisten spontan via Mobiltelefon oder Internet organisierten, wolle man künftig stärker nutzen. Ob beim "Anti-AKW-Sonntagsspaziergang" in Neckarwestheim, oder bei einer atomkritischen Lesung im Land, Knoll ist mit ihrer "Energiewende" dabei.
Sozialarbeiter Wolfram Scheffbuch berichtet ebenfalls von mehr Zulauf der Anti-AKW-Bewegung durch den Regierungswechsel in Berlin. Der Sprecher des Bundes der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) engagiert sich seit Jahren gegen den Betrieb des Kernkraftwerks in Neckarwestheim. Schon beim ersten Treffen des BBMN nach der Bundestagswahl sei der Andrang deutlich größer gewesen als in den vergangenen Jahren. Dass Laufwerkzeiten unter der neuen Berliner CDU/FDP-Koalition wieder verlängert werden sollen, sei für viele Bürger eine große Enttäuschung. In den Jahren zuvor waren Scheffbuchs Überzeugung nach viele Bürger nach dem Atomkonsens und der dezentralen Lagerung von Atommüll - und damit einer geringeren Anzahl von Castortransporten - besänftigt.
Der 43 Jahre alte Aktivist hofft noch immer, dass zumindest Block I des Neckarwestheimer Kraftwerks wie ursprünglich geplant im kommenden Jahr stillgelegt wird. Viele Unions- und FDP-Politiker in Berlin und Stuttgart seien nicht daran interessiert, dass die Proteste "gegen einen atomaren Durchmarsch" wieder aufflammten, vermutet er. Die Mitstreiter der sich wieder formierenden Anti-AKW-Bewegung kommen aus allen Altersschichten und Berufsgruppen. Ärzte, Polizisten, Landwirte, Verwaltungsangestellte, Studenten und Rentner seien darunter. "Sie alle fühlen sich von Politik und Stromkonzernen verschaukelt", sagt Knoll. Schließlich hätten etwa die Energiekonzerne Ausstiegs-Verträge unterschrieben, hinter den Kulissen aber eifrig den Weiterbetrieb der Anlagen forciert.
Auch der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Berthold Frieß, blickt mit Sorge nach Neckarwestheim. Er rechnet auch unter dem designierten künftigen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) mit einem "unverändert problematischen" atomfreundlichen Kurs der Landesregierung. Sollte Block I in Neckarwestheim tatsächlich weiter am Netz bleiben, rechnen Knoll und Scheffbuch damit, dass "die Leute wieder auf die Straße" gehen. Dies trifft in Neckarwestheim selbst aber auf wenig Verständnis. In der wohlhabenden 3500-Seelen-Gemeinde ist die Mehrheit für den Weiterbetrieb. Laut Scheffbuch dulden mittlerweile nicht einmal mehr die Wirte Treffen der AKW-Gegner in ihren Lokalen. "Die bekommen Ärger mit den Leuten, die vom Betrieb der AKW profitieren", mutmaßt er.
Dazu gehören neben Handwerksbetrieben etwa Pensionen, vor allem aber die Stadt. Laut Rathauschef Mario Dürr (parteilos) zahlt der Kraftwerksbetreiber EnBW etwa 80 Prozent der Gewerbesteuer im Ort.
"Hinzu kommen etwa 250 Arbeitsplätze am Kraftwerk selbst und noch einmal soviel Mitarbeiter, die in Subunternehmen für die Anlage arbeiten", sagt er. Die AKW-Gegner müssten auch das Ergebnis der Wahl akzeptieren. "Schließlich hat die Mehrheit CDU und FDP gewählt und es war klar, dass beide Parteien den Ausstieg rückgängig machen wollen", sagt Dürr.
"Hinzu kommen etwa 250 Arbeitsplätze am Kraftwerk selbst und noch einmal soviel Mitarbeiter, die in Subunternehmen für die Anlage arbeiten", sagt er. Die AKW-Gegner müssten auch das Ergebnis der Wahl akzeptieren. "Schließlich hat die Mehrheit CDU und FDP gewählt und es war klar, dass beide Parteien den Ausstieg rückgängig machen wollen", sagt Dürr.
(Stephen Wolf, ddp)
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