Kritik am schwarz-gelben Atomkurs reisst nicht ab
Die atomfreundliche Politik der neuen schwarz-gelben Bundesregierung sorgt für anhaltende Kritik. Sowohl SPD- als auch Umweltverbände kristisierten den Atomkurs der Regierung als wirtschaftsfeindlich und ökologisch unsinnig. Umweltministerin Margit Conrad (SPD) warnt vor den Folgen einer Aufkündigung des Atomkonsenses durch die schwarz-gelbe Bundesregierung. Dies würde sich als "Innovations- und Investitionsbremse" in den exportträchtigen Zukunftsmärkten der Energietechnologien niederschlagen, sagte Conrad am Donnerstag in Mainz. Es gelte, vor allem die Windenergie, deren Potenzial noch nicht ausgeschöpft sei, im Verbund mit den anderen erneuerbaren Energien systematisch zu entwickeln. Speziell die Windenergie stelle einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar und biete große Chancen für die Kommunen.
Die Deutsche Umwelthilfe macht "fundamentale Widersprüche" der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung aus. "Der neue Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) steht gleich zu Beginn seiner Amtszeit vor einer Herkulesaufgabe, wenn er aus dem Wünsch-Dir-was-Katalog der Koalitionäre im Nachhinein eine konsistente Energie- und Klimaschutzstrategie machen will", sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Rainer Baake.
In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und FDP einerseits verlängerte Laufzeiten für Atomkraftwerke angekündigt, andererseits den Eintritt in das "regenerative Zeitalter"versprochen, einerseits ein Treibhausgas-Minderungsziel von "mindestens 80 Prozent" bis 2050 gesetzt, andererseits beschlossen, den weiteren Zubau von Kohlekraftwerken zuzulassen. Darüber hinaus sollen die "wettbewerblichen Strukturen auf den Energiemärkten" verbessert werden. "Wer derart widersprüchliche Ziele formuliert, versucht sich an der Quadratur des Kreises und wird scheitern. Die Rechnung geht nicht auf", sagte Baake. Die von der schwarz-gelben Regierungskoalition versprochene "Energiepolitik aus einem Guss" bleibe "solange eine Illusion, wie Röttgen nicht zentrale Aussagen des Koalitionsprogramms in Frage stellt." Dazu gehöre zuallererst die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken.
Im Einzelnen sieht die DUH drei zentrale Widersprüche in den energie- und klimaschutzpolitischen Aussagen des Koalitionsvertrages:
- Das begrüßenswerte Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 "um mindestens 80 Prozent" zu mindern, steht in einem unauflösbaren Widerspruch zur gleichzeitig erklärten Absicht, "auch weiterhin den Bau von hocheffizienten Kohlekraftwerken (zu) ermöglichen".
- Die richtige Absicht, die erneuerbaren Energien weiter auf Basis des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) auszubauen und den unbegrenzten Einspeisevorrang zu erhalten, verträgt sich nicht mit einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken; mit zunehmendem Ausbau der Stromerzeugung aus Wind und Sonne entstehen wachsende Systemkonflikte.
- Schließlich untergräbt die Koalition ihre Ankündigung von mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten, indem sie den vier marktbeherrschenden Stromkonzernen mit verlängerten Laufzeiten der Atomkraftwerke zweistellige Milliardengeschenke macht und so deren Übermacht zulasten neuer Marktteilnehmer zementiert.
"Wir brauchen die vollständige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien binnen vier Jahrzehnten, also nicht mehr und nicht weniger als einen tiefgreifenden Technologie- und Strukturwechsel", sagte Baake. Stattdessen plane die Bundesregierung die Errichtung zusätzlicher Kohlekraftwerke und stelle die Gesellschaft schon in wenigen Jahren vor die Alternative, entweder das Klimaziel aufzugeben oder Milliarden an investiertem Kapital zu vernichten.
Die DUH begrüßt ausdrücklich die Absicht der neuen Bundesregierung, den Ausbau der erneuerbaren Energien fortzuführen und den unbegrenzten Einspeisevorrang zu erhalten. Damit die naturgemäß schwankenden Stromeinspeisungen vor allem aus Windstrom ausgeglichen werden können, bedarf es im übrigen Kraftwerkspark wachsender Kapazitäten flexibler Kraftwerke, die immer dann schnell einspringen können, wenn wenig Wind weht. "Atomkraftwerke können genau das aus Sicherheitsgründen nicht, Kohlekraftwerksblöcke rechnen sich nicht mehr, wenn sie nicht fast das ganze Jahr über Strom produzieren".
Die derzeit 17 Atomkraftwerke befinden sich fast vollständig im Besitz der vier Energiekonzerne E.on, RWE, EnBW und Vattenfall, die mehr als 80 Prozent des konventionellen Stroms produzieren. Diese Marktdominanz beklagen seit vielen Jahren Politiker jeglicher Couleur. Die Kartellbehörden der EU und des Bundes haben den Konzernen in den vergangenen Jahren immer wieder in verschiedenen Verfahren den Missbrauch ihrer Marktmacht vorgeworfen. Mit der geplanten Laufzeitverlängerung würde die Koalition ausgerechnet diesen Konzernen ein Geschenk in hoher zweistelliger Milliardenhöhe machen und die bereits heute allseits beklagten Strukturen zulasten des Wettbewerbs zementieren.
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