Positionen zur Laufzeitverlängerung vor AKW-Gipfel

21.01.2010 von
Kurz vor dem geplanten Treffen von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) mit Vertretern der vier großen Energiekonzerne haben Umweltverbände und die Grünen vor längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke gewarnt. Anstatt "Schrottreaktoren" Neckarwestheim, Biblis oder Brunsbüttel laufenzulassen, müsse die Bundesregierung die Blockade der Netze durch eine zu hohe Grundlast endlich beenden, forderte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. "Während die Bürger und der Bundestag bis nach der NRW-Wahl im Unklaren gelassen werden, macht man im Kanzleramt Nägel mit Köpfen", fügte er hinzu.
 
Die Regierung bemühte sich im Vorfeld, die Bedeutung des Treffens
herunterzuspielen: Es handle sich um eine Routinesitzung zur Klärung von technischen Einzelfragen, die Frage der Laufzeiten werde in dieser Runde nicht verhandelt. Im Übrigen sei der Standpunkt der Bundesregierung unverändert, dass diese Problematik eingebettet sein solle in ein Gesamtkonzept zur Energieversorgung Deutschlands, das im Oktober vorliegen solle.
 
Umweltorganisationen warnten die Regierung davor, vom endgültigen Atomausstieg abzurücken. "Merkel verkauft die Sicherheit der Bevölkerung, um ihre versprochenen Steuergeschenke zu finanzieren", kritisierte Greenpeace-Atomkraftexperte Heinz Smital. Zudem würden die ungelösten Probleme in der Atommülllagerung weiter verschärft. Allein etwa 400 Tonnen hoch radioaktiver Müll fielen bei einer Laufzeitverlängerung pro Jahr zusätzlich an. "Wir brauchen keine Rolle rückwärts bei der Atomenergie und noch mehr verstrahlten Müll", betonte auch der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, Olaf Tschimpke.
 
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Joachim Pfeiffer, verteidigte die geplante Verlängerung der Laufzeiten. Dies brächte einen volkswirtschaftlichen Nutzen bis zu 250 Milliarden Euro. "Dieser volkswirtschaftliche Nutzen darf und soll nicht nur betriebswirtschaftlich als Gewinn bei den großen Vier ankommen", hob Pfeiffer hervor. Vielmehr sollten diese Mittel unter anderem in den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Verbesserung der Energieeffizienz investiert werden.
 
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht in einer kürzlich veröffentlichten Studie von einer Kostenentlastung für die Volkswirtschaft in Höhe von 256 Milliarden Euro aus. Die Untersuchung war von Umweltverbänden als "durchsichtig und interessengeleitet" kritisiert worden. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) bemängelte, Laufzeitverlängerungen steigerten lediglich die Gewinnspanne der Konzerne.
 
Der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Gerd Billen, sprach sich dafür aus, die Gewinne in einen Fonds zur Gebäudesanierung zu investieren. "Das Geld muss zu 80 Prozent den Verbrauchern zugutekommen", unterstrich Billen. Nach Angaben des Verbandes können die Stromkonzerne je nach Strompreisentwicklung jährlich mit Extragewinnen zwischen vier und acht Milliarden Euro rechnen. Würden 80 Prozent davon in einen Fonds fließen, ließe sich in den nächsten 25 Jahren eine durchgehende energetische Sanierung des Gebäudebestandes erreichen.
 
In Deutschland sind noch 17 kommerziell genutzte Atomkraftwerke in Betrieb. Die rot-grüne Regierung hatte mit der Industrie einen Ausstieg aus der Atomenergie vereinbart. Bereits im Frühjahr müsste mit Neckarwestheim I der nächste Meiler abgeschaltet werden. Ebenfalls in diesem Jahr ist die Abschaltung von Biblis A geplant.

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