Greenpeace veröffentlicht 12.000 Seiten zu Gorleben
Seit August 2009 hatten die Umweltschützer Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz bei zwölf bundesdeutschen Behörden und Ministerien beantragt. Bislang konnten die Experten 110 Aktenbände auswerten. Sie stammen aus der niedersächsischen Staatskanzlei, dem niedersächsischen Umweltministerium sowie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die Dokumente sollen Schritt für Schritt im Internet veröffentlicht werden.
Aus den Akten geht unter anderem hervor, dass die Entscheidung für Gorleben innerhalb von wenigen Monaten getroffen wurde. Demnach tauchte der Name Gorleben erstmals im November 1976 in einem handschriftlichen Besprechungsvermerk in den Akten der niedersächsischen Staatskanzlei auf. Kurz darauf, Ende Februar 1977, fiel die Entscheidung. "Nach eingehender Erörterung beschließt das Kabinett, Gorleben als vorläufigen Standort eines möglichen Entsorgungszentrums für ausgebrannte Kernbrennstoffe zu benennen", zitierte Edler den niedersächsischen Beschluss.
Nach Ansicht Edlers waren wirtschaftliche Gründe maßgeblich für die Eile: Nach der Atomgesetznovelle von 1976 seien die Kraftwerksprojekte Biblis B, Unterweser und Brunsbüttel ohne Entsorgungsnachweis für den Atommüll akut gefährdet gewesen. Zudem hätten die AKW-Betreiber wegen fehlender Entsorgungsmöglichkeiten mit der drohenden Abschaltung laufender Kraftwerke ab 1981 rechnen müssen. Auch der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hatte Mitte Februar in einem Schreiben an den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) auf eine Entscheidung gedrängt. Trotz Bedenken vonseiten der Bundesregierung habe Albrecht beschieden, "Gorleben oder gar nicht".
Das Verfahren sei nie ergebnisoffen gewesen, folgerte Edler. Am 22. April kommt erstmals der Untersuchungsausschuss des Bundestags zusammen. Er soll sich vor allem damit befassen, auf welcher Grundlage 1983 die Entscheidung auf Bundesebene getroffen wurde, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle auf die Erkundung des Standorts Gorleben zu konzentrieren.
Der Kieler Geologe Ulrich Schneider verwies auf die Gefahren umfangreicher Wassereinbrüche. Dokumente der BGR belegten, dass es im Bereich der Bohrungen ein Laugenreservoir mit einem Volumen von bis zu einer Million Kubikmeter gebe. "Wenn dieses Reservoir sich auf einen Schlag öffnet, säuft dieser Erkundungsbereich Eins fünfmal ab", warnte er. Damit würde Gorleben das gleiche drohen wie dem Atommülllager Asse II bei Wolfenbüttel, das wegen unkontrollierten Laugenzuflusses abzusaufen droht.
Schneider machte deutlich, dass ein Endlagersalzstock grundsätzlich kein Wasser enthalten sollte. Zum einen könne das Salz dadurch aufgelöst werden und zum anderen könnten Korrosionen am Endlager selbst entstehen, was die Langzeitsicherheit in Frage stelle.
Greenpeace forderte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf, den Salzstock Gorleben als Endlagerstandort endgültig aufzugeben. Unterstützt wird diese Forderung auch von den Grünen: "Die von Greenpeace veröffentlichten Gorleben-Akten zeigen einmal mehr, welchen atompolitischen Wahnsinnskurs die Regierung Merkel und Umweltminister Röttgen eingeschlagen haben, wenn sie Gorleben nun endgültig als Atom-Endlager durchdrücken wollen", sagte die Parteivorsitzende Claudia Roth.
Die Gorleben-Datenbank finden Sie unter www.greenpeace.de/gorlebenakten.
Der Salzstock bei Gorleben
- Der Salzstock bei Gorleben wird als möglicher Standort zur Endlagerung hoch radioaktiven Atommülls gehandelt. Er wurde ab 1979 auf seine Eignung untersucht, diese Erkundung wurde aber im Jahr 2000 unterbrochen. Atomkraftgegner und die Opposition hegen Zweifel, ob es bei der Erkundung von Gorleben mit rechten Dingen zuging. Sie fordern eine ergebnisoffene Suche auch an anderen Standorten.
- Originaldokumente aus den Jahren 1976 und 1977, die die Umweltorganisation Greenpeace im Internet veröffentlicht, geben Hinweise darauf, dass die niedersächsische Entscheidung zugunsten von Gorleben innerhalb nur weniger Monate gefällt wurde. Ausschlaggebend waren nach Einschätzung von Greenpeace nicht wissenschaftliche, sondern politische Kriterien.
- Das Konzept für Gorleben sah ursprünglich vor, ein Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle zu errichten. Mittlerweile hat das Land Niedersachsen aber den Umbau des ehemaligen Erzbergwerks Konrad bei Salzgitter zum Atommüllendlager genehmigt. Die Umrüstung hat bereits begonnen. In Schacht Konrad sollen schwach und mittelradioaktive Abfälle gelagert werden. Gesucht wird nun also vor allem ein Standort für hoch radioaktive Abfälle.
- Einige Geologen bezweifeln die Tauglichkeit des Salzstocks in Gorleben als Endlager, weil, wie sie sagen, ein Deckgebirge fehlt und der Salzstock Kontakt zum Grundwasser hat. Atomkraftgegner und auch einige Politiker ziehen Parallelen zum Salzstock Asse, in der rund 126.000 Fässer Atommüll lagern und die abzusaufen droht.
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