Anwalt: Verfassungsgericht wird Atomstreit entscheiden
Die am Donnerstag von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken wird nach Ansicht von Juristen vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Der auf Atomrecht spezialisierte Berliner Anwalt Reiner Geulen hält die von SPD und Grünen angekündigte Verfassungsklage für sehr erfolgversprechend. "Die Koalition geht mit einer Mischung aus juristischem und sicherheitsfachlichem Dilettantismus und einer Augen-zu- und-durch-Mentalität vor", sagte Geulen der Berliner Zeitung. Der Anwalt hatte in den 90er-Jahren für die rheinland-pfälzische Stadt Neuwied im Rechtsstreit gegen den Stromkonzern RWE die Stilllegung des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich erstritten.
Auf Geulens Bedenken stößt vor allem die Entscheidung der Koalition, den Bundesrat nicht über das AKW-Gesetz mitentscheiden zu lassen. Die Länder führen im Auftrag des Bundes die Verwaltung über die Atomaufsicht. Mit dem nun verabschiedeten Gesetz erhielten diese neue Aufgaben, sagte Geulen. Deshalb sei das Gesetz zustimmungspflichtig. So müssten die Länder vor allem die Sicherheit der AKW neu prüfen. "Insbesondere die Altreaktoren sind nicht für Terroranschläge ausgelegt und müssen nachgerüstet werden", betonte Geulen.
Auch der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hatte jüngst darauf verwiesen, dass längere AKW-Laufzeiten zustimmungsbedürftig sind.
Unterdessen musste im größten deutschen Atomkraftwerk im schwäbischen Gundremmingen ein Reaktorblock wegen eines vermutlich defekten Brennelements abgeschaltet werden. Die Betreiber des Atommeilers wollen mit der Abschaltung aber noch einige Tage warten, wie die Kraftwerkssprecherin Simone Rusch am Donnerstag sagte. Schwäbische Atomkraftgegner kritisierten dies als unverantwortlich.