Nach der Japan-Katastrophe: Der große Run auf die Ökostrom-Anbieter
Der Atomunfall in Japan beschleunigt die Energiewende. In der Hoffnung auf steigende Gewinne haben Anleger seither kräftig in Wind- und Solaraktien investiert, die Kurse schossen um 10 bis 30 Prozent nach oben. Aber Experten dämpfen die Euphorie.
"Ich habe in den letzten 30 Jahren viele Aufs und Abs gesehen", sagt Norbert Allnoch, Geschäftsführer des Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) in Münster. Trotz Atomgefahr, Klimawandel und Elektroauto seien diese Aktien aber nicht per se sichere Geldanlagen für Witwen und Waisen: "Das wäre naiv."
Der internationale Renixx-Aktienindex für erneuerbare Energien schnellte seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima zwar von 520 auf 580 Punkte hoch - aber 2008 hatte er noch bei über 1.800 Punkten gestanden. In der Wirtschaftskrise war Öl billiger geworden, die Finanzierung regenerativer Projekte wurde schwieriger, europaweit wurden die Subventionen für Photovoltaik gekürzt, und bei Windenergie gab es Überkapazitäten, weil in Europa und den USA weniger Anlagen gebaut wurden und der Zugang zum größten Markt China schwer ist.
Jetzt machten vor allem deutsche Aktien große Kurssprünge - Solarworld um 30 Prozent, Nordex um über 20 Prozent. "Die Grundstimmung ist auch über Deutschland hinaus, dass sich bei erneuerbaren Energien mehr tun wird. Aber die Deutschen haben noch eine Schippe draufgelegt", sagt Allnoch.
Kosten bremsen den Umstieg
Michael Tappeiner, Analyst für erneuerbare Energien bei der Unicredit, sagt: "Das ist erst mal ausgereizt." Die Bundesregierung will zwar die Energieeffizienz bei Gebäuden verbessern sowie die Windanlagen auf hoher See und das Stromnetz ausbauen. Aber viel hängt davon ab, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz im kommenden Jahr novelliert wird. Und eine entscheidende Frage ist auch, "wie stark erneuerbare Energien auf europäischer Ebene gefördert werden", sagt Tappeiner. "Was bremst, sind die Kosten." Die seien gegenwärtig ausgeblendet: "Das ist eine emotional geführte Debatte. Alle wollen aus der Atomkraft raus und in die Renewables rein", sagt Tappeiner und verweist auf den Haken an der Sache: "Die Stromkosten werden kräftig steigen - für die Verbraucher, aber auch für die Unternehmen. Es geht auch um Arbeitsplätze."
Offshore im Aufwind
Das Engagement von Konzernen wie GE oder Siemens ist für Allnoch aber ein klares Signal, dass es bei erneuerbaren Energien vorangehen wird. Die klassischen Kraftwerksbauer und Ausrüster haben den Vorteil, dass sie alles aus einer Hand anbieten können bis hin zu Hochspannungsnetzen. Aber es bleibt genug Platz für andere Anbieter.
Bei Windkraft ist die dänische Vestas AG mit 6,9 Milliarden Euro Umsatz die Nummer eins. Windkraft dürfte bei Ökostrom weltweit am stärksten zulegen, da sind sich die Experten einig.
"Offshore ist großes Wachstum zu erwarten", sagt Tappeiner. "Onshore sind die besten Stellen schon verbaut, und es gibt starken Widerstand der Bevölkerung vor Ort." Für Anleger sieht der Analyst bei Windkraft-Aktien im Augenblick nicht mehr so viel Potenzial: "Die Auswahl ist begrenzt, und die Aktien sind schon sehr stark nach oben gegangen."
Sonne mit Wolken
Wer in Solarprojekte investiert hat, "bekommt eine staatlich garantierte Einspeisevergütung, das ist sehr attraktiv", sagt Tappeiner. Allerdings haben Deutschland, Frankreich, Belgien, Tschechien und am Montag auch Großbritannien die Förderung gekürzt. Der letzte große Markt ist noch Italien. "Für Solaraktien sehe ich derzeit begrenztes Potenzial", sagt der Branchenexperte.
Als saubere Stromquelle sieht Allnoch international auch Wasserkraft auf dem Vormarsch. Aber die Projekte brauchen einen längeren Vorlauf. Geothermie habe Potenzial, sei aber hierzulande noch nicht so angesagt, sie hat weniger Image als Wind und Sonne. Dagegen ist Biomasse in Deutschland auf Platz zwei, aber international auf dem Stromsektor noch unter ferner liefen.
Sinnvoll wäre ein Direkthandel des Ökostroms im eigenen Marktsegment über die Strombörse in Leipzig - das würde Transparenz und echten Wettbewerb schaffen, sagt der IWR-Chef. Bis Ökoenergien verlässliche Renditen abwerfe, sei es noch ein mühseliger Weg. Aber langfristig ist er optimistisch: "Früher oder später bleiben nur die erneuerbaren Energien."