Hunderttausendfacher Protest gegen Atomenergie
Bei der bislang größten Demonstration in diesem Jahr haben in Berlin am Samstag über 100.000 Menschen einen Ausstieg aus der Atomenergie gefordert. Die Veranstalter sprachen von 120.000 Teilnehmern. Nach Angaben eines Berliner Polizeisprechers verlief die Veranstaltung bis zum Nachmittag "absolut friedlich". Bundesweit gingen 250.000 Menschen auf die Straße, um nach der nuklearen Katastrophe in Japan gegen Atomkraft zu protestieren. Die Demonstrationen standen unter dem Motto "Fukushima mahnt: alle AKWs abschalten."
In Berlin versammelten sich die Protestierenden am Potsdamer Platz. In den Demonstrationszug reihten sich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ein sowie die Fraktionschefs der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin und Renate Künast. Die Demonstrationsroute führte an der CDU-Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus, vorbei auf die Straße des 17. Juni. Laut Polizei warfen Demonstranten altes Gemüse in Richtung des Gebäudes, sie verfehlten aber ihr Ziel. Durch die Veranstaltung kam es entlang der Wegstrecke zu umfangreichen Verkehrsbehinderungen.
Gabriel wirft Schwarz-Gelb Wahltaktik vor
Gabriel sagte am Rande der Demonstration, die große Beteiligung vor allem junger Leute zeige, dass die Menschen in Deutschland den Atomausstieg und eine beschleunigte Energiewende wollten. Sie hätten die Nase voll von den wahltaktischen Spielchen von Union und FDP.
Es gehe jetzt nicht, ein paar Atomkraftwerke kurz vor den Landtagswahlen vorübergehend stillzulegen, mahnte Gabriel. Die ältesten Atomkraftwerke müssten sofort und endgültig vom Netz. Alle anderen müssten anhand moderner Sicherheitsanforderungen überprüft und dann nach und nach abgeschaltet werden. Deutschland habe die Chance, neue Jobs im Bereich der erneuerbaren Energien zu schaffen. Das gehe aber nur bei einer sofortigen Rückkehr zum Atomausstieg.
Die Atomkraftgegner machten ihre Ablehnung lautstark und mit fantasievollen Plakaten deutlich. "Sympathie für Atom endet wie das alte Rom", war auf einem zu lesen. "Deutschland sucht den Super-GAU" stand auf einem anderen Transparent.
Zehntausende demonstrieren in anderen Städten
In Hamburg gingen 50.000 Menschen und in Köln 40.000 Menschen auf die Straße, wie BUND-Atomexperte Thorben Becker auf dapd-Anfrage sagte. Rund 40.000 Teilnehmer zählten die Veranstalter trotz Regens in München.
Der Parteichef der Linken, Klaus Ernst, forderte am Wochenende, den Verzicht auf Nutzung von Atomenergie im Grundgesetz zu verankern. Auf einem Parteitag des Berliner Landesverbandes der Linken sagte er, Deutschland müsse Vorbild sein für eine weltweite Abschaltung von Reaktoren. Linke-Landeschef Klaus Lederer kritisierte die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Atomenergie als "unredlich und brandgefährlich."