Experiment Energiewende - Klimaforscher sieht Umstieg als Herausforderung in Dimension der Deutschen Einheit

13.06.2011 von

Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer hält die geplante Energiewende für eine Herausforderung in der Dimension der Deutschen Einheit. Der Ausstieg aus der Kernkraft und Umstieg auf die erneuerbaren Energien sei "eines der größten sozialen Experimente" in der Geschichte des Landes, sagte der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung am Freitag in Berlin. Laut einer Studie des Instituts ist der Atomausstieg bezahlbar, der Umbau des Energiesystems aber ein Kraftakt. Dazu sei eine bessere Koordinierung innerhalb der EU nötig.

Die Bundesregierung plant einen schrittweisen Atomausstieg bis
2022 und den Umstieg auf erneuerbare Energien. Übergangsweise sollen noch einmal Kohle- und Gaskraftwerke gebaut werden. Dazu soll bis Anfang Juli ein 700 Seiten starkes Gesetzespaket in Bundestag und Bundesrat beraten werden.

Wenig Auswirkungen auf Strompreise

Der Studie zufolge wirkt sich der Atomausstieg nur in geringem Maße auf die Strompreise für private Haushalte aus. Auch ein früherer Abschied von der Kernenergie hätte den Verbrauchern demnach keine erheblichen Mehrkosten beschert. Ein Ausstieg bis 2020 hätte nach den Berechnungen der Forscher gegenüber dem Datum 2022 für jeden privaten Haushalt monatlich im Schnitt 90 Cent mehr gekostet. Bei einem Aus für die Atomkraft schon 2015 wären im Vergleich zum Ausstieg 2020 monatliche Zusatzkosten von etwa zwei Euro entstanden.

Laut Untersuchung ist durch den Abschied von der Kernkraft auch keine grundsätzliche Gefährdung der volkswirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit zu befürchten, da die Strompreise für die Industrie und Großkunden nur vorübergehend ansteigen. Knackpunkt ist nach Einschätzung der Fachleute aber die Versorgungssicherheit. Diese sei nur zu gewährleisten, wenn neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch neue fossile Kraftwerke gebaut würden oder ältere Anlagen länger als ursprünglich geplant am Netz blieben.

Die Untersuchung für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig.

"Emissionshandel ausweiten"

Edenhofer sagte, die Herausforderungen seien groß. Genauso wie die Deutsche Einheit nur eingebettet in europäische Politik gelungen sei, müsse auch bei der Energiewende mehr Koordinierung innerhalb der EU her. Edenhofer plädierte unter anderem dafür, den Emissionshandel auf weitere Sektoren auszuweiten. Unternehmen, die die Atmosphäre mit Treibhausgasen verschmutzen, brauchen dafür Rechte, sogenannte Emissionszertifikate. Ein Teil der Rechte wird kostenlos ausgegeben, den Rest müssen die Firmen kaufen. Überschüssige Zertifikate können sie aber auch verkaufen. Bislang ist der Handel begrenzt auf die Stromerzeugung und einige Industriebereiche, künftig gilt er auch für Fluggesellschaften.

Edenhofer forderte außerdem, die Fördersysteme für erneuerbare Energien innerhalb der EU zu harmonisieren. Außerdem schlugen die Fachleute der Institute die Einrichtung eines ständigen Rates für Energie- und Klimapolitik vor. Dieser solle jährliche Berichte über die Fortschritte beim Umstieg abliefern, Handlungsalternativen erkunden und unabhängig von kurzfristigen politischen Strömungen arbeiten.

"Schnelligkeit vor Sorgfalt bei Regierung"

SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich offen für die Vorschläge. Die enge Beschränkung des Emissionshandels sei falsch. Über das Vorgehen der Bundesregierung bei der Energiewende äußerte sich der SPD-Politiker dagegen unzufrieden. Die Pläne von Schwarz-Gelb enthielten zum Teil massive Fehler. Es gebe "sehr viele Überschriften und verdammt wenig Kleingedrucktes". Viele Details seien ungeklärt. Für die Koalition gehe in der Frage "Schnelligkeit vor Sorgfalt". Dabei sei die Arbeit mit ein paar Gesetzesentwürfen nicht getan, sondern die Arbeit fange jetzt erst richtig an.

(Christiane Jacke / dapd)

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