3sat Doku: "Tabu Kernforschung"
Keine Form der Energieerzeugung ist so umstritten wie die Kernenergie. Der Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 ist beschlossen. Der Rückbau der Kernkraftwerke wird aber noch Jahrzehnte dauern, die Verwahrung des Atommülls sogar Jahrtausende. Die Dokumentation "Tabu Kernforschung" von Thomas Hies und Judith Schneider stellt fest, dass im Zuge des Ausstiegs aus der Kernenergie in Deutschland weniger Kernforschung betrieben werde und kaum noch Kernforscher ausgebildet werden. Kernenergietechnik und Reaktorforschung seien fast zu Tabuthemen der Wissenschaft geworden. Dabei sei das Wissen um Nukleartechnik nach wie vor wichtig, ein Mangel an Atomphysikern und Strahlungsexperten ein Risiko.
Der Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland wird von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen. Kein anderes Land hat so rasch auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima reagiert. Die 30 anderen Kernenergie betreibenden Staaten wollen ihre Anlagen bis zum technischen Lebensende von mindestens 40 Jahren weiterlaufen lassen. Eine Mehrheit dieser Länder setzt weiter auf Kernenergie und baut sogar neue Atomkraftwerke. Allein in China sind derzeit 28 Anlagen im Entstehen. Sieben davon wurden nach Fukushima neu begonnen. Und weitere sieben Länder, darunter Saudi-Arabien, die Türkei und Vietnam, haben trotz Fukushima entschieden, erstmals in die Kernenergie einzusteigen.
Deutsche Expertise ist bei diesen Unternehmungen kaum noch gefragt. Die Zahl der Studierenden in den Nuklearwissenschaften nimmt ab, Forschungsmittel werden gekürzt und Professuren fallen weg. Nur noch in wenigen Forschungszentren beschäftigen sich hierzulande Wissenschaftler mit Kernenergie. Die Vorlesung "Reaktortechnik III" von Hans-Josef Allelein, Professor für Reaktorsicherheit an der RWTH Aachen, beispielsweise besuchen nur noch acht Studierende. Und für Doktorandin Anni Schulze ist klar: Eine berufliche Zukunft hat sie nur im Ausland. "Aber wenn so was wie in Fukushima noch einmal passiert, wollen wir dann nur dem glauben, was uns Japaner oder Franzosen oder Amerikaner erzählen oder wollen wir eigene Recherchen machen. Wenn wir das wollen, müssen wir auch Reaktorsicherheit und Reaktorsicherheitsforschung betreiben", mahnt Allelein.
Die Doku mit dem Namen „Tabu Kernforschung“ wird am Donnerstag, 29. Oktober um 20:15 ausgestrahlt. Im Anschluss widmet man sich im Rahmen der Gesprächsendung Wissenschaft am Donnerstag Tabus im allgemeinen.