Erdgas-Pipeline legt geologische Vergangenheit frei

Die Eiszeitgeschichte Norddeutschlands muss nach Ansicht von Wissenschaftlern möglicherweise umgeschrieben werden. Bei Untersuchungen im Erdgraben für die in Bau befindliche Osteepipeline-Anbindungsleitung (Opal) stießen Experten in den vergangenen Wochen in Mecklenburg-Vorpommern auf bislang unbekannte eiszeitliche Sedimentationen. Nach Angaben des Landesamts für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) widerlegten einzelne Funde bisherige Annahmen über die jüngste geologische Vergangenheit.
 
So entdeckten Geologen der Universität Greifswald im vorpommerschen Peenetal bei Anklam eine bislang nicht bekannte eiszeitliche Sedimentationsschicht. Bei Probebohrungen im Opal-Korridor sei man im Flussbereich und in einem vorgelagerten Auenwald bei Stolpe in acht Meter Tiefe auf eine mit Muscheln durchzogene Sandstruktur getroffen, sagte LUNG-Leiter Ralf-Otto Niedermeyer, am Donnerstag in Greifswald.
 
Bei der Schicht handle es sich um die älteste bislang gefundene Eiszeitsedimentation im deutschen Nordosten. Sie sei vor mehr als 120.000 Jahren während der letzten Warmzeit entstanden. „Bislang haben wir angenommen, dass die Peene nichts anderes war als eine nach der Eiszeit entstandene Schmelzwasserrinne“, sagte der Greifswalder Geologieprofessor Reinhard Lampe. Der Fund beweise aber, dass der Fluss schon vor der Eiszeit existiert habe und später neu gestaltet worden sei.
 
Für die Bewertung der obersten Erdkruste lagen den Forschern bislang lediglich Ergebnisse von punktuellen Forschungsbohrungen vor. Die nun möglichen Untersuchungen in dem 100 Kilometer quer durchs Land führenden Leitungsgraben gäben der Wissenschaft eine einmalige Chance, sich einen zusammenfassenden Überblick über die Verzahnung der erdgeologischen Schichten zu verschaffen, sagte Lampe. So sei man in Vorpommern unter anderem auf späteiszeitliche Dünen gestoßen. In der Region bei Ferdinandshof habe man zudem einen früheren Stausee entdeckt, der schon vor Tausenden Jahren ausgelaufen sei.
 
Unterstützt wird das bislang einzigartige Projekt für die geologische Grundlagenforschung von dem Trassenbauer Wingas. Dessen Projektleiter Hans-Georg Egelkamp unterzeichnete am Donnerstag mit der Universität Greifswald eine Fördervereinbarung über 40.000 Euro. Mit den Geldern sollen im kommenden Jahr auch die Untersuchungen beim Erdaufschluss für die nach Westen führende Nordeuropäische Erdgasleitung (Nel) ermöglicht werden, sagte Egelkamp. Weitere Projekte über jeweils 40.000 Euro seien mit der Technischen Universität Berlin für den brandenburgischen Opal-Korridor sowie mit Privatunternehmen für den sächsischen Trassenanschnitt vereinbart worden. Geprüft wird zudem ein Engagement im Bereich des Nel-Abschnitts in Niedersachsen.
 
Die in den Gräben freigelegten Bodenprofile werden fotografisch dokumentiert. Zudem werden an besonders wichtigen Abschnitten Proben genommen. Die Daten fließen später in ein in Aufbau befindliches, digitales geologisches Kartenwerk ein, das ältere geologische Karten ablösen soll. Nach Angaben des LUNG könnten damit künftig detailliertere Angaben zum Beispiel über Baugrund, Grundwasserpotenziale, Entsorgungsmöglichkeiten und Bodenfruchtbarkeit genutzt werden als bislang.
(ddp/som/mwa)
 

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