Korruptions- und Untreue-Ermittlungen lähmen EWE
Der Oldenburger Energieversorger EWE steckt tief in der Krise. Staatsanwälte ermitteln wegen des Verdachts auf Untreue und Korruption, der ursprünglich fünf-köpfige Vorstand reduzierte sich auf nunmehr zwei Personen, überforderte Aufsichtsräte und eine beginnende Schlammschlacht. Das Unternehmen aus der niedersächsischen Provinz verkommt zur traurigen Lachnummer.
Am morgigen Mittwoch trifft sich der Aufsichtsrat der EWE AG. Die Vertreter der Anteilseigner – im Wesentlichen 21 Kreise und Städte aus Nordwest Niedersachsen – haben einiges zu besprechen und zu entscheiden. Anlass der Sitzung ist die anstehende Abberufung des Noch-Vorstandsvorsitzenden der EWE AG Matthias Brückmann. Brückmann ist unhaltbar geworden durch eine EWE-Spende an die Boxbrüder Vitali und Wladimir Klitschko in Höhe von 253.000 Euro. Die Großzügigkeit Brückmanns war jedoch nicht durch die Unternehmensrichtlinien gedeckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Untreue.
Parallel zur „Spendenaffäre“ ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Korruption. Wie Medien berichten, sollen Mitarbeiter aus dem Unternehmensbereich EWE Netz sich von Partnerunternehmen Thailand-Urlaube, Hochzeitsfeier und diverse Abendessen bezahlt haben lassen. Auch Bargeldzahlungen sollen von den EWE-Mitarbeitern gefordert worden sein.
Die Korruptionsverdächtigungen führten bereits zu EWE-internen Ermittlungen. Vorstandschef Brückmann soll diese forciert haben. Nun wird spekuliert, ob Brückmanns Aufklärungseifer ihm intern nicht nur Freundschaften beschert haben. Neben der „Spendenaffäre“ werden Brückmann seither weitere Vergehen angelastet. Ein anonymes Schreiben dazu ging wohl an den Aufsichtsrat.
Eine Schlammschlacht erster Güte. Nun ist der Aufsichtsrat gefordert, klare Entscheidungen zu treffen und EWE wieder aus den Schlagzeilen zu holen. Doch das dürfte einigermaßen schwierig werden. Schon bei den Entscheidungen über die vakanten Vorstandsposten wird es kritisch. Von fünf Positionen sind derzeit de facto nur zwei besetzt. Bereits im letzten Jahr musste Personalvorstand Nikolaus Behr im Verlauf der sogenannten Spitzelaffäre seinen Posten räumen. Ihm folgte im Herbst Technikvorstand Ines Kolmsee. Nach der absehbaren Abberufung von Vorstandschef Brückmann verbleiben die Vorstände Wolfgang Mücher und Michael Heidkamp. Heidkamp ist allerdings durch die „Spendenaffäre“ selber belastet. Er zeichnete die Klitschko-Spende ab. Dass der Aufsichtsrat ihm das Vertrauen aussprach, ist eher ein Indiz für den derzeitigen Personalnotstand in der EWE-Führungsetage als ein langfristiger Vertrauensbeweis.
Dass sich die EWE AG derzeit in einem katastrophalen Zustand präsentiert, zeigt auch die Schwäche des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsrat repräsentiert die Struktur der Anteilseigner, die wiederum aus 21 Kreisen und Städten des niedersächsischen Nordwestens besteht. Mitglieder sind auf der Seite der Anteilseigner in der Mehrzahl Landespolitiker. Aufsichtsratschef Stephan-Andreas Kaulvers hat bereits seinen vorzeitigen Rückzug aus dem Gremium angekündigt. Kritiker werfen dem Gremium vor, einerseits die Entwicklung von EWE durch regionale Einzelinteressen zu blockieren, andererseits zu wenig Verständnis für die Kontrolle eines Großunternehmens mitzubringen. Insofern darf man gespannt auf die anstehenden Personalentscheidungen blicken. Mögliche Kandidaten für Vorstandsposten sind ausgerechnet Führungskräfte, die sehr eng mit dem Geschäftsbereich EWE Netz verbunden sind. Vielleicht sollten dort erst einmal die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft abgewartet werden.
Die EWE AG mit Sitz in Oldenburg beschäftigt rund 9.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Konzernumsatz von ungefähr 8 Milliarden Euro. EWE bietet Neben Strom und Gas auch Telekommunikationsprodukte an.
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