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Interview mit Heiner Geißler: "Es geht bei der Atomenergie um eine existenzielle Frage"

28.04.2011 von

Heiner GeißlerDer CDU-Politiker Heiner Geißler hält die öffentliche Sitzung der Ethikkommission zur Energiepolitik für den richtigen Weg. Da es um eine existenzielle Frage geht, ist ein öffentlicher Faktencheck zwingend, ist der Stuttgart 21-Schlichter überzeugt. Über die Vorzüge des Schlichtungsmodells, die Atompolitik in Deutschland und die Möglichkeit einer Volksabstimmung sprach dapd-Korrespondentin Nicole Scharfschwerdt mit dem ehemaligen CDU-Generalsekretär.

dapd: Die Ethikkommission Sichere Energieversorgung tagt nun öffentlich und greift damit das Prinzip der Stuttgart 21-Schlichtung auf. Freut es sie, dass das Modell offenbar Schule macht?

Geißler: Ja. Und zwar, weil ich dafür bin, dass wir unsere Demokratie ergänzen durch direkte Bürgerbeteiligungsformen. Es hat sich bei Stuttgart 21 gezeigt, dass die totale Transparenz eigentlich das beste Mittel ist, um Konsens herzustellen. Es geht bei der Atomenergie um eine existenzielle Frage aller Bürgerinnen und Bürger. Infolgedessen ist es zwingend, dass der Faktencheck in aller Öffentlichkeit vorgetragen wird. Die Argumente brauchen das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen. Ich kann mir vorstellen, dass man dieses Verfahren fortsetzt und die weiteren Sitzungen ebenfalls transparent macht.

dapd: Was hat sich bei der Schlichtung zu Stuttgart 21 als der größte Vorteil einer öffentlichen Debatte erwiesen?

Geißler: Der größte Vorteil einer Schlichtung ist, dass den Leuten die sonst begründete Angst genommen wird, dass hinter verschlossenen Türen Dinge verhandelt werden, die man vor ihnen geheim halten will. Das Gefühl, "die oben machen, was sie wollen", indem sie ihre Geheimnisse vor den Bürgerinnen und Bürgern verbergen, ist ein Grund für das Misstrauen gegen die Demokratie. Jetzt geht es darum, wieder neues Vertrauen zu begründen. Und das macht man am besten dadurch, dass die Diskussionen öffentlich gemacht werden. In Stuttgart hatten wir eine totale Transparenz, mit einem unglaublichen Zuspruch.

dapd: Anders als bei Stuttgart 21 sind die Argumente beim Thema Atomkraft allerdings seit Jahrzehnten bekannt und erschöpfend ausgetauscht

Geißler: Den Eindruck habe ich nicht, dass seit Jahrzehnten alle Argumente ausgetauscht sind. Zum Beispiel wurde bislang völlig ausgeschlossen, dass in Deutschland ein ähnlicher Super-GAU entstehen kann wie in Japan. Aber inzwischen wird auch darüber debattiert. Zum Beispiel durch die mangelnde Sicherung der Kraftwerke gegenüber Flugzeugabstürzen und Terrorangriffen.

dapd: Also stimmt es, dass Fukushima alles verändert hat?

Geißler: Ja, Fukushima hat alles verändert. Eigentlich hätte aber schon nach Tschernobyl alles verändert sein müssen. Aber dies ist nicht geschehen, weil eben eine transparente Diskussion über die Atomenergie nicht stattgefunden hat. Weite Bereiche sind tabuisiert worden, vor allem mit dem Argument, die deutschen Atomkraftwerke seien die sichersten auf der ganzen Welt, was gar nicht stimmt. Zweitens ist die Behauptung aufgestellt worden, die deutschen Atomkraftwerke seien auch die CO2-saubersten, was ebenfalls nicht 100-prozentig richtig ist. Außerdem muss das auch abgewogen werden mit anderen schwerwiegenden Folgen der Atomenergie. Durch die Strahlung gefährden wir nach uns kommende Generationen in einem Ausmaß, dass man eine Weiterführung der Kernenergie nicht mehr verantworten kann.

dapd: Befürworter der Atomenergie argumentieren immer wieder, Atomenergie sei besonders wirtschaftlich. Wie könnte man diesen Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie auflösen?

Geißler: Das Argument ist auch nicht richtig. Atomkraft ist nur deswegen besonders wirtschaftlich, weil sie natürlich von Anfang an subventioniert worden ist, von der Forschung angefangen bis zum Bau von Kernkraftwerken. Außerdem ist das Wirtschaftlichkeitsargument niemals ein Argument, das man gegen die Interessen der Menschen richten kann.

dapd: Gesucht wird nun ein Energiekonsens. Wie könnte dieser aussehen?

Geißler: Da sehe ich vom Grundsatz her keinen Konsens. Außer, dass die Befürworter der Kernenergie einsehen, dass sie sozusagen als energiepolitische Piusbrüder mit überholten Standpunkten keine Zukunft mehr haben und die Idee aufgeben.

dapd: Sie haben sich für eine Volksabstimmung über die Atomkraft ausgesprochen. Ist das überhaupt machbar?

Geißler: Ein Faktencheck mit totaler Transparenz in der Öffentlichkeit ist natürlich eine Voraussetzung für eine Volksabstimmung, für die man allerdings auf der Bundesebene die Gesetze ändern müsste. Das ist ohnehin überfällig. Eine Befragung kann man nur durchführen, wenn man ein umfängliches Informationsszenario entwickelt, damit die Menschen, die abstimmen sollen, auch in der Lage sind, aufgrund ihres Wissens ihre Entscheidungen zu fällen. Das ist in der heutigen Medienwelt ohne weiteres möglich. Neben dem Fernsehen muss das Ganze auch ins Internet gestellt werden. Das würde ich im Übrigen auch der Ethikkommission empfehlen.

dapd: Umfragen zufolge würde eine Volksabstimmung das Aus für die Kernenergie um das Jahr 2020 herum bedeuten. Ist das auch ihre Position?

Geißler: Das ist der späteste Zeitpunkt, der überhaupt konsensfähig ist.

dapd: Wenn sie ein Jahr nennen müssten, welches Jahr würden sie anpeilen?

Geißler: Das weiß ich nicht. Da würde ich mich gerne an den besten Mann, den wir in der Beziehung in der Bundesrepublik Deutschland haben, halten, nämlich an den jetzigen Umweltminister Norbert Röttgen.

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