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Schwere Zeiten für Kohlekraftwerke
In Deutschland gibt es gerade ein Artensterben zu beobachten, und alle Umweltschützer freuen sich. Das ungewöhnliche Verhalten bezieht sich allerdings nicht auf gefährdete Tiere oder Pflanzen, es geht um CO2-produzierende Kohlekraftwerke. Allein in der vergangenen Woche starben drei dieser Spezies den Tod noch während der Planung: in Mainz, im niedersächsischen Dörpen und in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern. Ob zusätzlich das E.on-Projekt in Datteln jemals vollendet werden kann, steht in den Sternen. Kohlekraftwerke in Deutschlandbringen dabei ungewöhnliche Koalitionen zustande.
Die Umweltschützer waren ursprünglich nach Kopenhagen gereist, um vor der Dong-Zentrale gegen die Kraftwerkspläne zu protestieren. Doch daraus wurde nichts: Dong hatte am Freitag überraschend mitgeteilt, auf das Zwei-Milliarden-Euro-Projekt in Lubmin zu verzichten. So machten die Umweltaktivisten aus der Not eine Tugend und zeichneten den dänischen Energiekonzern Dong Energy kurzerhand wegen dessen Verzicht auf den Bau des Steinkohlekraftwerks in Lubmin aus: Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der "Klimapiraten" und von Bürgerinitiativen überreichten am Montag in Kopenhagen einer Vertreterin der Konzernleitung symbolisch das "Goldene Windrad". Das Unternehmen solle damit für seine verantwortungsvolle Entscheidung beglückwünscht werden, das Kraftwerksprojekt aufzugeben. Wäre das Projekt realisiert worden, hätte das ab 2013 einen Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich neun Millionen Tonnen bedeutet.
Den Beschluss, auf das Zwei-Milliarden-Euro-Projekt zu verzichten, habe der Aufsichtsrat am Freitag gefasst, teilte Dong-Unternehmenssprecher Andreas Krog in Kopenhagen mit. Kraftwerksgegner und Umweltorganisationen begrüßten die Entscheidung. Der Unternehmerverband Vorpommern warf Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) vor, das Projekt torpediert zu haben.
Dong Energy sei nicht mehr davon überzeugt, dass das Projekt den erforderlichen Rückhalt der Landesregierung genieße, hieß es in einer Erklärung. Hinzu komme, dass sich das Genehmigungsverfahren ohne Aussicht auf baldige Klärung sehr in die Länge gezogen habe. "Da wir den Eindruck haben, dass das Projekt bei der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern die erforderliche politische Unterstützung nicht findet, ziehen wir die entsprechenden Konsequenzen", sagte der geschäftsführende Direktor Anders Eldrup.
Der Sprecher der Lubminer Bürgerinitiative, Michael Woitacha, sagte, er sei "unendlich glücklich". Der Kampf der 400 Mitglieder in vier Bürgerinitiativen gegen das tourismusfeindliche Projekt habe sich gelohnt. Zugleich appellierte Woitacha an den Investor, sich in Mecklenburg-Vorpommern bei erneuerbaren Energien zu engagieren.
Dagegen warnte der Unternehmerverband Vorpommern vor einer schweren Wirtschaftskrise in Vorpommern. "Wir machen uns große Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft Vorpommerns", sagte Präsident Gerold Jürgens. Nach der Ankündigung der Werften in Stralsund und Wolgast, bis zu 600 Arbeitsplätze abzubauen, sei das Kraftwerk-Aus ein weiterer schwerer Schlag. Heftige Kritik übte der Unternehmer am Ministerpräsidenten. Mit seinem öffentlichen Bekenntnis gegen das Kraftwerk habe Sellering die Verantwortlichen in den Genehmigungsbehörden unter Druck gesetzt.
Sellering wies die Kritik zurück. Die Landesregierung habe ein faires rechtsstaatliches Genehmigungsverfahren sichergestellt. Dong Energy habe das Verfahren jedoch zuletzt immer zögerlicher betrieben. Offenbar habe das Unternehmen nicht den Beweis für eine Genehmigungsfähigkeit erbringen können. Umweltminister Till Backhaus (SPD) sagte, er vermute hinter der Entscheidung eher unternehmerische Gründe als eine Reaktion auf die politische Diskussion. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei das Projekt nicht genehmigungsreif gewesen.
Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) bedauerte den Ausstieg von Dong Energy. Er sprach von einer verpassten Chance zum Aufbau gut dotierter Arbeitsplätze in Vorpommern. Es gelte jetzt, die Vorzüge des Standorts Lubmin für die Gewinnung neuer Investoren herauszustellen.
Vor drei Jahren hatte Dong Energy angekündigt, bis 2012 am neuen Industriehafen Lubmin für rund zwei Milliarden Euro ein 1.600-Megawatt-Kraftwerk zu errichten. Bereits im Oktober zog Dong Energy seine Pläne zum Bau eines Kohlekraftwerks in Emden zurück.
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