Strom aus Wind: Die Geschichte der Windnutzung
Heute sind Windräder deutschlandweit ein üblicher Anblick. Strom aus Wind zu produzieren ist dabei keine neue Idee. Doch den endgültigen Durchbruch schaffte die Technik erst, als die passenden Gesetze erlassen wurden.
Bis das erste Mal Strom aus Wind produziert wurde, hatte der Wind schon Jahrtausende als Energiequelle gedient. Da muss man nicht auf die Ägypter zurückgreifen, die um 2.000 v. Chr. die ersten Segelboote nutzten. In Europa gab es im 14. Jahrhundert wahrscheinlich einen "Windwagen". Der italienische Konstrukteur Guido von Vigevano (nein, diesmal nicht Leonardo da Vinci) zeichnete einen Wagen, der am Heck einen Propeller hatte. Dieses Mobil war ein Kriegsgerät, welches Lasten gegen (!) die Windrichtung ziehen sollte. Ob es jemals gebaut wurde, ist jedoch nicht bekannt.
In den folgenden Jahrhunderten wurde die Windkraft hauptsächlich für mechanische Arbeiten genutzt. So pumpten Chinesen mit den Luftbewegungen Wasser, die Europäer mahlten Getreide zu Mehl. Bis tatsächlich Strom produziert wurde, sollte es noch bis zum 20. Jahrhundert dauern.
Der Grund für die Stromproduktion aus Wind, wie sie heute noch betrieben wird, ist jedoch ein anderer. Strom gab es in Deutschland nach Beginn der industriellen Elektrifizierung im Jahr 1882 relativ schnell auch für den normalen Bürger. Allerdings nur in den Städten, da ein Fernleitungsnetz wie wir es kennen noch gar nicht erfunden oder mit enormen Übertragungsverlusten verbunden war. Mit anderen Worten: In ländlichen Gegenden war ein Windrad vor der Tür eine der wenigen Möglichkeiten, überhaupt Strom zu bekommen.
Das änderte sich in einem flächenmäßig vergleichsweise kleinen Land wie Deutschland recht schnell, Fernelitungen wurden ausprobiert und installiert. Weitere Versuche mit Windrädern zur Stromerzeugung fanden vor allem im Ausland statt.
Der Amerikaner Charles F. Brush baute 1887 bis 1888 in seinem Hinterhof eine sehr interessante Windmühle mit 17 Metern langen Flügeln, die sich sogar selbstätig in den Wind drehte und damit fast schon automatisch funktionierte. Die Zeitung "Scientific American" berichtete groß über die Windanlage, die Strom für mehrere hundert Glühbirnen erzeugte und auch noch Elektromotoren antrieb (für die Großbildansicht bitte hier klicken).
Verschiedene Forscher aus Deutschland, Dänemark oder den USA versuchten sich weiterhin an dieser Technik. Trotzdem kam es nur zu vereinzelten Forschungsanlagen, nicht jedoch zum Durchbruch der Technik wie wir sie heute kennen. Strom aus Wind war aus der Not geboren, nicht aus wirtschaftlichen Gründen. So ist es kein Zufall, dass die Brennstoffknappheit im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) für weitere Versuche sorgte. Doch nach dem Krieg wurden die Versuche schnell wieder beendet, da Treibstoff wieder günstiger zu haben war.
Immerhin: In dieser Zeit nahm sich die Wissenschadft des Themas an. 1920 formulierte der deutsche Physiker und Leiter der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen Albert Betz (*1885; †1968) das Betz'sche Gesetz. Es beweist, dass das physikalische Maximum der Ausnutzung der kinetischen Energie des Windes bei 59,3 % liegt. Ebenfalls basieren die Flügeldesigns heutiger Windräder auf seinen Forschungen.
In Deutschlands größenwahnsinniges Regime des Dritten Reiches fällt die nächste Entwicklung der Windenergie. Hermann Honnef (*1878; †1961) errichtete in Bötzow auf dem Mathiasberg bei Berlin 1932 ein Versuchsfeld mit Anlagen bis zu 17kW. Und auch die SS (Schutzstaffel) mischte mit: Nach dem "Endsieg" plante die Firma Ventimotor (Gründer: der Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel und das Mitglied des Freundeskreis Reichsführer SS, Walther Schieber) dezentrale Windkraftanlagen im eroberten Osten anzubringen. 1943 war damit allerdings Schluss, denn Vorrang hatte jetzt die Produktion von kriegswichtigem Material.
Nach dem Krieg dauerte es sechs Jahre, bis der nächste Baustein in der Windtechnik Deutschlands gelang. 1951 fertigten die Allgaier Werke eine 10-kW-Anlage mit 11 Metern Rotordurchmesser in Serie, verkauft wurden die rund 200 Stück allerdings überwiegend in Entwicklungsländer.
Konstrukteur dieser Anlage war der deutsch-österreichische Windkraft-Pionier Ulrich Hütter, der 1957 erstmals eine Anlage konstruierte, die der heutigen Form nahekam. Sie hieß StGW-34 und stand auf einem Versuchsfeld auf der Schwäbischen Alb.
Doch auch hier fehlte es an einem Wirtschaftlichen Betrieb, und so führte der Strom aus Windkraft weiter ein Nischendasein. 1978 wollte es die damalige Bundesregierung dann wissen und finanzierte das Projekt GROWIAN. Das ist die Abkürzung für Große Windkraft-Anlage, und tatsächlich war sie mit 100 Metern Rotordurchmesser lange Zeit die größte Anlage der Welt. Allerdings nicht die erfolgreichste. Der von nur zwei Flügeln angetriebene Prototyp war ein Leeläufer. Damit kam "der Wind von hinten", die Flügel wiesen also nicht wie heute üblich zum Wind, sondern zur windabgewandten Seite. Zudem war sie von ständigen technischen Gebrechen geplagt, so dass sie nicht mal einen regulären Testbetrieb schaffte.
Die Dänen brachten schließlich die heutige Form zur Entwicklungsreife. Ein oder zwei feste Drehzahlen, den dreiflügligen Rotor zum Wind, so sieht eine Windanlage heute aus. Den Durchbruch zur Wirtschaftlichkeit in Industrienationen brachten jedoch erst zwei legislative Änderungen in Deutschland, die später viele Staaten kopierten. 1991 verabschiedete der Bundestag das Stromeinspeisungsgesetz und 2001 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). In beiden ist festgelegt, dass Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig ins Stromnetz eingespeist wird, außerdem gibt es feste Vergütungen für den Windstrom.
Seitdem erlebt die Branche einen Boom. Windstrom rechnet sich und wird in Kürze auch ohne Subventionen auskommen. Das geht so weit, dass die guten Plätze an Land heute weitgehend verteilt sind. Die Zukunft liegt in den Offshore-Anlagen draußen vor der Küste, wo der Wind stärker und beständiger weht.