Marburg will sich Solaranlagen-Pflicht nicht verbieten lassen
In Hessen auf erneuerbare Energien zu setzen, ist gar nicht so einfach. Seit dem Sommer 2008 kämpft die Stadt Marburg für eine Satzung, die ihre Bürger zum Einbau thermischer Solaranlagen beim Hausbau verpflichtet. Im juristischen Ringen zwischen der mittelhessischen Kommune und dem übergeordneten Regierungspräsidium Gießen hatte das Verwaltungsgericht Gießen einen Vergleich angeregt, der nun am Veto der Landesregierung scheiterte.
Auf Anraten des Verwaltungsgerichts Gießen arbeiteten die Stadt Marburg und die Behörde in Gießen einen Vergleichsvorschlag aus, in dem insbesondere die Ausgestaltung der Ersatzmaßnahmen konkretisiert wurde. Doch das Wirtschaftsministerium lehnte den Vergleich ab. "Wir wollen keiner Satzung zustimmen, die in einigen Monaten durch eine neue Rechtslage überholt wäre", sagt Ministeriumssprecher Wolfgang Harms. Denn die Hessische Bauordnung laufe zum Jahresende aus. Die Landesregierung plane die Abschaffung des Paragrafs 81, Absatz 2, in dem die Kommunen unter anderem eine bestimmte Heizungsart vorschreiben können.
BUND-Experte Hans Ackermann, der an der Entstehung der Marburger Solarsatzung selbst mitgewirkt hat, sieht in der Reaktion des Wirtschaftsministeriums ein "rein politisches Reingrätschen". Einerseits werde eine Dezentralisierung und eine Eigenverantwortlichkeit der Kommunen angestrebt, andererseits werde der Klimaschutz beschnitten, kritisiert Ackermann.
Marburgs Bürgermeister Kahle hält das Argument des Ministeriums für "fadenscheinig". Der betreffende Absatz könne gar nicht aus der Bauordnung gestrichen werden, da sich eine Reihe weiterer Satzungen hessischer Kommunen auf diesen Passus stützten. Zudem kritisiert Kahle die Untätigkeit der Landesregierung auf dem Gebiet: "Hessen will das Musterland für erneuerbare Energien werden, aber aus Wiesbaden kommt ja gar nichts." Das Wirtschaftsministerium bemängelt hingegen, die Marburger Solarsatzung privilegiere eine Form der erneuerbaren Energie unzulässig. "Da sollte Wahlfreiheit herrschen", findet Sprecher Harms. Kahle kann auch dieses Argument nicht nachvollziehen: "Unsere ausgeklügelte Satzung lässt ja viele Alternativen zu." So könne der Besitzer eines verschatteten Hauses auch auf Blockheizkraft setzen, und die Stadt selbst verzichte bei Schulen auf Solaranlagen und bevorzuge Photovoltaik.
Nach dem Veto der Landesregierung hat auch das weisungsgebundene Regierungspräsidium Gießen eingelenkt und würde es "begrüßen, wenn die Änderung der hessischen Bauordnung abgewartet wird." Ungeachtet dessen läuft der Prozess vor dem Gießener Verwaltungsgericht weiter.
Frühestens im Mai wird dort die mündliche Verhandlung fortgesetzt.
Die Ansicht des Ministeriums habe für die Entscheidung der Gießener Richter "keine vorentscheidende Bedeutung", sagt Gerichtssprecherin Sabine Dörr. Auch zukünftige Pläne der Landesregierung spielten hierbei keine Rolle.
Frühestens im Mai wird dort die mündliche Verhandlung fortgesetzt.
Die Ansicht des Ministeriums habe für die Entscheidung der Gießener Richter "keine vorentscheidende Bedeutung", sagt Gerichtssprecherin Sabine Dörr. Auch zukünftige Pläne der Landesregierung spielten hierbei keine Rolle.
Die Stadt Marburg, die sich bundesweit zum Vorreiter für Solarenergie aufschwingen wollte, muss sich weiter in Geduld üben. Immerhin konnte der fördernde Teil der Solarsatzung erlassen werden. Die Stadt und die Stadtwerke unterstützen ihre Bürger beim Einbau von Solarthermen finanziell. Zu den 450 bereits bestehenden Anlagen seien seitdem 45 weitere hinzugekommen. "Das ist jetzt nicht bombastisch, aber immerhin liegen wir mit den zehn Prozent Zuwachs leicht über dem Bundesdurchschnitt", sagt Bürgermeister Kahle.
(ddp Oliver Teutsch)
Vielleicht interessiert Sie auch: