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Vor 30 Jahren: Der große Marsch nach Brokdorf


Brokdorf ist für eine ganze Generation von Westdeutschen noch heute Synonym für den Widerstand gegen die Atomkraft. Gehüllt in gelbe Regenjacken, den Bauarbeiterhelm auf dem Kopf oder zumindest im Rucksack wanderten sie Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre immer wieder zu Zehntausenden an die Unterelbe, um dort den umzäunten "Bauplatz zur Wiese" zu machen, wie es hieß.

Genau vor 30 Jahren, am 28. Februar 1981, zogen dann mehr als 100.000 Atomkraftgegner zum Bauzaun. Mehr oder minder handgreiflich protestieren sie gegen die Errichtung des Reaktors. Es war die größte Brokdorf-Demonstration und eine der größten Anti-AKW-Demonstrationen in der deutschen Geschichte. Brokdorf war damals Symbol der Anti-AKW-Bewegung, so wie es heute noch Gorleben ist.

Gewalt an der Baustelle

Schleswig-Holsteins damaliger Innenminister Uwe Barschel (CDU) ließ seine Polizeihubschrauber im Februar 1981 über den Köpfen der 100.000 Demonstranten schweben, denen sich rund 10.000 Polizisten auf dem Boden entgegenstellten. Aus allen Teilen der Bundesrepublik hatten sich Atomkraftgegner bei bitterer Kälte auf den Weg nach Schleswig-Holstein gemacht. Am Ende schaffte es ein Teil der Demonstranten sogar, auf das Baugelände vorzudringen. Anschließend eskalierte die Situation jedoch. "Helikopter drehten im Tiefflug über den Demonstranten und warfen Tränengas auf sie ab", sagt Zeitzeuge Michael Legband.

"Das war schon ein bisschen kriegsähnlich", sagt der Meteorologe Karsten Hinrichsen, der damals ebenfalls dabei war. Es habe dann auf beiden Seiten Gewalt gegeben, sagt Legband. "Aber das Gros der Demonstranten war absolut friedlich, deswegen ist der Gewalteinsatz der Polizei auf so viel Entsetzen gestoßen." Der Begriff Deeskalation sei damals noch unbekannt gewesen. Aufseiten der Polizei und der Atomkraftgegner waren am Ende jeweils mehr als 100 Menschen verletzt.

Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Eine bleibende Spur hinterließ der Protest vom 28. Februar auch in der Rechtsgeschichte. Der Kreis Steinburg hatte damals ein flächendeckendes Demonstrationsverbot erlassen. Dagegen reichte das Lehrerehepaar Grit und Klaus Pancke aus Itzehoe Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. "Das ist um 4.30 Uhr morgens geschehen", erinnert sich Klaus Pancke noch genau.

Ein Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das Demonstrationsverbot blieb seinerzeit zwar erfolglos. "Die Richter sahen unser Anliegen aber nicht als offensichtlich unbegründet an", sagt Pancke. Vier Jahre später verkündete Karlsruhe seinen berühmten Brokdorf-Beschluss. Die Grundsatzentscheidung von 1985 gab dem heute 63-Jährigen und seiner Frau Recht und räumte dem Versammlungsrecht ähnlich hohen Wert wie der Presse- und Meinungsfreiheit ein.

"Das Gericht hatte den Streitwert auf 100.000 Mark beziffert. Wir haben drei Jahre lang wegen der erwarteten Kosten des Verfahrens gespart", sagt Pancke. Mit der positiven Entscheidung waren die Geldsorgen aber dahin. "Dennoch sehe ich mich nur als Nebendarsteller", sagt der pensionierte Lehrer. An seinem Vorgehen sei "nichts Heldenhaftes" gewesen. Er selbst habe am 28. Februar gar nicht demonstriert.

Bei der Stromerzeugung in der Weltspitze

Den Bau des AKW Brokdorf konnten die Atomkraftgegner nicht verhindern. Wenige Monate nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ging der Meiler 1986 in Betrieb. Nach Angaben des Betreibers E.on ist Brokdorf derzeit eines der erzeugungsstärksten AKW der Welt. Mit der Strommenge von 11,9 Milliarden Kilowattstunden habe der Reaktor im vergangenen Jahr auf Platz drei der Weltrangliste gelegen, teilte das Unternehmen vergangene Woche in Hannover mit.

Auch 30 Jahre nach der letzten Großdemonstration gegen das AKW Brokdorf ist der Protest aber noch nicht tot: Vor dem Tor des Atommeilers in der Wilstermarsch demonstrieren am 6. eines jeden Monats immer noch Atomkraftgegner. "Wir haben da auch schon mal nur zu dritt gestanden", berichtet Hinrichsen, einer der unverdrossenen Demonstranten. Er kann den Abluftkamin des AKW von zu Hause aus sehen. "Die erste Zeit war es richtig bedrohlich", sagt er. Mittlerweile habe er sich daran aber gewöhnt. "Man will das auch nicht mehr so ganz nah an sich heranlassen", meint er.

(André Kloh / dapd)

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