Harrisburg: Fast Super-Gau in den USA
Bereits sieben Jahre vor der Reaktor-katastrophe von Tschernobyl 1986 stand die Welt am Rande eines atomaren Super-GAUs. Ort der Katastrophe vor gut drei Jahrzehnten war das Kernkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg im US-Staat Pennsylvania. Nach dem Zusammenbruch des Kühlsystems im Reaktor Nummer zwei kam es dort am 28. März 1979 zu einer partiellen Kernschmelze und der Freisetzung radioaktiver Gase.
Zehntausende Menschen flohen damals aus Harrisburg und Umgebung, von der großen Katastrophe wie später im ukrainischen Tschernobyl blieben die Bewohner aber verschont. Eine Woche nach dem Beginn des Unfalls erklärte Gouverneur Richard Thornburgh die Gefahr für gebannt. Für die Atomindustrie war dies allerdings der erste große Rückschlag, gleichzeitig erhielt die Anti-Atomkraft-Bewegung weltweit Auftrieb.
"Nach jetzigem Kenntnisstand vergleiche ich die Ereignisse in Fukushima immer mit Harrisburg", sagte der Greenpeace-Atomexperte Matthias Edler.
Der Beinahe-Super-GAU war damals eine Verkettung technischer Fehler und menschlicher Fehlentscheidungen. Am Morgen des 28. März 1979, einem Mittwoch, fielen Kühlwasserpumpen außerhalb des Reaktorgebäudes aus. Planmäßig schaltete sich der Reaktor ab, erhitzte sich aber infolge der radioaktiven Zerfallswärme weiter.
Dies sei ein erwarteter Vorgang gewesen, erklärt die Umweltorganisation Greenpeace: In diesem Fall steige der Druck, ein eigenes dafür konstruiertes Ventil öffne sich und sorge dafür, dass sich der Druck normalisiere. Im Reaktor Three Mile Island aber habe sich das Ventil verklemmt.
Die Folge: Wasser, das zur Kühlung benötigt wird, lief aus. Mit sinkendem Wasserstand erhitzte sich der Reaktorkern. Beim Personal im Kontrollraum liefen Alarmsignale ein, aus denen aber nicht hervorging, was eigentlich das Problem war. Als sich schließlich sogar Dampfblasen bildeten und das Gebäude zu vibrieren begann, schalteten Techniker die Pumpen ab - nicht wissend, dass der Wasserkreislauf schon längst nicht mehr funktionierte.
Erst nach einem Schichtwechsel entdeckte ein Techniker das Problem mit dem geöffneten Ventil - die Kernschmelze war zu diesem Zeitpunkt bereits in vollem Gange. Das Leck wurde geschlossen, die Kühlung wieder eingeleitet, die Temperatur sank wieder. Einige Stunden später erschütterte eine Wasserstoffexplosion den Meiler - um eine zweite zu verhindern, ließen die Reaktormitarbeiter Druck ab - wie jetzt in Fukushima. Radioaktive Gase wurden freigesetzt.
Obama setzt wieder stärker auf Atomkraft
Wieviel Radioaktivität zu diesem Zeitpunkt in die Umwelt gelangt war und weiter gelangte, wurde nicht mitgeteilt. Erst einen Tag später wurde die Bevölkerung informiert, erst am 30. März wurde angeordnet, schwangere Frauen und Kinder zu evakuieren. Die verunsicherten Anwohner verließen zu Zehntausenden das Gebiet. Der betreffende Block des Kraftwerks wurde in den folgenden Jahren aufwendig gesichert.
In den USA wurde nach dem Unfall jahrzehntelang kein neues Atomkraftwerk mehr genehmigt. In den vergangenen Jahren aber wich die Angst vor einer Atomkatastrophe. US-Präsident Barak Obama forderte in seiner Rede zur Lage der Nation Ende Januar die Förderung sauberer Energiequellen - und bezog dabei erstmals auch Atomkraft mit ein. Bereits im Jahr zuvor hatte er angedeutet, künftig wieder mehr auf Atomkraft setzen zu wollen.
Die USA haben zurzeit 104 Atomreaktoren in 31 US-Staaten in Betrieb. Diese decken rund 20 Prozent des Strombedarfs.
(Susanne Gabriel / dapd)