Georgien: Krieg um die Gasvorkommen?
Es herrscht Krieg in Georgien. Doch die aktuelle Situation am Energiemarkt verändert auch unsere Sichtweise auf diesen Waffengang: Wären die Kommentatoren früher allein vom Leid der Menschen und der kriegerischen Bedrohung für Europa ausgegangen, schafft es heute noch eine andere Sichtweise in die Presse: Georgien fördert und produziert Erdgas und Öl - schneidet der Krieg Europa von der dringend benötigten Energie ab?
Georgien liegt in mehrerer Hinsicht günstig: Die ehemalige Sowjetrepublik verfügt über eigene Gas- und Ölvorkommen wie auch über mehrere Transportwege, durch die zentralasiatische Energie nach Europa gelangt. Über die gemeinsame Grenze mit dem NATO-Partner Türkei fließt Gas durch die Südkaukasus-Pipeline, parallel dazu führt die BTC-Pipeline, durch die Öl fließt.
Zwar habe es Gefechte in der Nähe der BTC gegeben, auch seien Dörfer in ihrer Umgebung von der russischen Luftwaffe bombardiert worden, doch die Pipelines selbst seien nicht getroffen worden, hieß es erleichtert in den Nachrichten. Diese Sicht auf einen Krieg teilen die Kommentatoren mit den Politikern.
Versorgungssicherheit ist das Stichwort, und die Pipelines sind spätestenseit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton, der eine direkte Anbindung bei Umgehung Russland forderte, eine Waffe: Mit ihnen soll der Einfluss Irans und Russlands zurückgedrängt werden. Energie aus mehreren Quellen ist unverzichtbar, um nicht abhängig und damit erpressbar zu werden. Das gefällt natürlich vor allem einem: Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili wird nicht müde zu behaupten, mit dem Fall seines Landes gerieten auch die Energielieferungen in den Westen ins Stocken. Russland, so Saakaschwili, greife damit indirekt auch den Westen an.
Das alles interessiert die Kriegsopfer nicht im Geringsten. Und auch wir sollten sie in den Vordergrund stellen. Der Krieg muss aufhören, und zwar sofort und wegen der Menschen. Wer noch ein pragmatisches Argument dafür sucht: Durch die BTC fleißt zur Zeit gar kein Öl. Die Pipeline brennt, auch ohne Krieg. Technisches Versagen gibt die türkische Regierung als Grund an, die kurdische Guerillaorganisation PKK feiert hingegen einen gelungenen Anschlag.
Der Krieg ist schon bei uns.