Was passiert in Georgien?
Es tut manchmal gut, einen Schritt zurückzutreten. Aus den unterschiedlichen Nachrichten aus dem georgischen Kriegsgebiet lassen sich interessante Schlüsse für die Energiepolitik ziehen.
Der Ölpreis - und mit ihm der gekoppelte Gaspreis - fällt seit einiger Zeit. Zwar ist er immer noch hoch, aber die Panik ist aus den Preisen heraus. Mögen das einige Experten mit der lahmenden Weltkonjunktur und dem damit reduzierten Energieverbrauch erklären, hätte der Krieg zwischen Georgien und Russland noch vor einem Monat dazu geführt, dass die Energiepreise durch die Decke gehen.
Heute kommen aus Georgien interessante Nachrichten. Die Betreiberfirma BP schließt zwei weitere ihrer Pipelines, die durch Georgien führen. Eröffnet werden sie nach Angaben von BP erst wieder, wenn "es sicher ist, das zu tun." Die bekannteste und zweitgrößte Pipeline der Welt zwischen Georgien und der Türkei, die Baku-Tblisi-Ceyhan (BTC), ist dabei schon seit rund einer Woche (gastip berichtete) lahmgelegt: Entweder ein technischer Defekt oder ein Anschlag der kurdischen Rebellenorganisation PKK hatten zu einer Explosion auf türkischer Seite geführt. Mittlerweile ist das Feuer gelöscht, aber die Reparatur wird noch ein bis zwei Wochen dauern.
Offensichtlich hat es aber keiner wirklich eilig damit. Was passiert da? Ein Krieg zwischen Russland - Europas wichtigstem Gaslieferanten - und Georgien - Europas wichtigster Alternative hierzu - und die Börse bleibt ruhig? Die Lösung: Es ist eine kurzfristige Blase geplatzt, an der alle, bis auf die Verbraucher, prächtig verdient haben. Energiekonzerne melden riesige Gewinnzuwächse, die energiexportierenden Länder freuen sich über Extra-Dollars, die zu Milliarden in ihren Kassen klingeln. Allein die OPEC-Länder haben in den ersten sieben Monaten dieses Jahres soviel eingenommen wie im gesamten Jahr 2007.
Wie sonst ist es zu erklären, dass BP einfach Pipelines stillegen kann, und die OPEC einen sinkenden Preis für das Rohöl vermeldet? Neben der Western Route Export Pipeline (WREP) für Öl ist jetzt auch die Gaspipeline South Caucasus Pipeline (SCP) vorsorglich geschlossen worden, obwohl sie im Krieg weder beschossen noch beschädigt wurden.
Nach dem militärischen Erfolg Russlands könnten diese natürlich jederzeit den Gas- und Ölhahn zudrehen, was als Tatsache eigentlich zu einer Börsenrallye bei Rohstoffwerten führen müsste. Doch neben dem fallenden Öl- und Gaspreis sinken derzeit alle Notierungen für Rohstoffe.
Für die Energiepolitik der EU ist das ein neuer Rückschlag:
- Auf die preistreibenden Spekulationen an den Börsen hat sie keinen Einfluss. Allein an der Leipziger Strombörse EEX wird jede Kilowattstunde mehrfach verkauft (und meist verteuert), bis sie schließlich verbraucht wird.
- Ihr Pipelineprojekt "Nabucco" soll aus dem Kaukasus über die Türkei Gas und Öl heranschaffen. Allein: Bislang fehlen die Lieferanten.
- Die südliche Lieferanten-Alternative für Öl und Gas - Libyen oder Algerien - ist wahrscheinlich verbaut. Da war Gazprom wieder einmal schneller.
- Im Irak kommt die Förderung zwar langsam wieder in Schwung, aber eine Alternative im Sinne von Versorgungssicherheit kann das vom Krieg geschüttelte Land nicht sein. Und dessen Nachbar Iran würde zwar gerne Gas und Öl liefern, sieht sich aber verschärften Sanktionen wegen seines Atomprogramms ausgesetzt.
Sicher ist, dass Energie und Rohstoffe nie wieder so billig werden, wie wir das die vergangenen Jahre gewohnt waren. Sicher ist aber auch, dass wir bislang noch keine Alternative haben.