Gaskrise: die Gründe, die Fakten
Kommen Deutschland und Österreich nach heutiger Einschätzung im Gasstreit mit einem blauen Auge davon, sieht das in Südosteuropa ganz anders aus: Viele Länder müssen Notfallpläne diskutieren - wie konnte es dazu kommen?
Letztendlich ist der Gasstreit immer noch eine Nachwehe des Zerfalls der ehemaligen Sowjetunion. Die Ex-Sowjetrepublik Ukraine bekam wie alle anderen Republiken auch von der Zentralgewalt in Moskau Gas zu einem heftig subventionierten Spottpreis. Das änderte sich, als Russland das Potential seiner Rohstoffe erkannte. Heute wird der überwiegende Teil des russischen Staatsvermögens aus den eigenen Öl- und Gasfeldern (siehe Foto) gewonnen.
Die Ukraine hingegen ist fast pleite und musste in der aktuellen Finanzkrise auch Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) annehmen. 16,4 Milliarden Dollar gewährte der IWF als Kredit. Dazu kommen hausgemachte Probleme: Die ukrainische Wirtschaft basiert seit Jahren auf Stahl und Eisen, jedoch sind die Preise für beides in der jüngsten Vergangenheit stark abgerutscht. Da Energie - auch Gas - jahrelang günstig war, ist der Energieverbrauch der Ukraine sehr hoch. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist gigantisch, im Verhältnis zum Brutto-Inlandsprodukt ist es der weltweit höchste.
Sparen ist politisch beim Bürger kaum durchzusetzen. Da in der instabilen Ukraine seit Jahren eigentlich Dauerwahlkampf herrscht, mag kein Politiker den Bürgern Preiserhöhungen zumuten. Nicht mal die Preissteigerung aus dem letzten Gasstreit von 2006 hat zu Erhöhungen der Verbrauchspreise geführt.
Die Ukraine und Russland streiten sich seit 2005 um die Preise und Lieferbedingungen für Erdgas. Um das eigene, aber auch um das, was an Europa weitergeleitet werden soll. Paradox: Die Ukraine wusste natürlich seit Monaten, dass der Gasstreit eskalieren würde. Am längsten unter allen betroffenen Staaten könnte deshalb die Ukraine selbst aushalten: Sie hat eigene Gasvorkommen (25% des Bedarfs) und riesige, bis an den Rand gefüllte Gasspeicher. Zur Not hält die Ukraine trotz des hohen Verbrauchs bis weit ins Frühjahr ohne Gaslieferungen aus Russland durch. Länger als die meisten europäischen Staaten.
Überhaupt bilden Russland und die Ukraine eine seltsame Schicksalsgemeinschaft im Gasstreit. Russland selbst hat mit sinkenden Erlösen aus seinen Rohstoffen schwer zu kämpfen. Die Russen sind kurzfristig auf Erlöse angewiesen, die sie nur noch über kleinere Routen an der Ukraine vorbei bedienen können. Ist die Ukraine eigentlich pleite, so fehlen ihr jetzt die Transitgebühren für das russische Erdgas - Russland wiederum hat keine Einnahmen, weil es das Gas nicht woanders verkaufen kann - wie sollte es dahin gelangen?
Lesen Sie im zweiten Teil alle Infos über die Entstehung des Gasstreits.