Schiefergas: Was macht es so interessant?
Mit dem Schiefergas-Boom verbinden gasimportierenden Staaten eine große Hoffnung: Unabhängigkeit von den Gasexporteuren, die momentan den Erdgasmarkt beherrschen und ihre Marktmacht entsprechend ausnutzen. Für diese Gasexporteure könnte die Entwicklung dagegen zu einem wirtschaftlichen Problem werden. Letztes Jahr überholten die USA Russland erstmals als weltgrößten Gasproduzenten.
Das Problem für Russland und andere große Gasexporteure ist, dass Schiefergas-Vorkommen theoretisch nicht nur in den USA, sondern überall vorhanden sind und die staatlichen Energiekonzerne dieser Länder mit sinkendem Erdgasabsatz konfrontieren könnte. Damit sind erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen verbunden: In Russland sorgt da Geschäft mit den Energieexporten für gut 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Darüber hinaus besteht der russische Staatshaushalt zu gut 20 Prozent aus den Steuerzahlungen des staatlichen Energiekonzerns Gazproms.
Im selben Maße wie der Schiefergas-Boom den Gasexporteuren schadet, profitieren gasimportierende Länder davon, da er die Marktmacht der großen Gasproduzenten bricht. Insbesondere die Ukraine und Polen haben sich des Öfteren beklagt, dass Russland seine Erdgasvorkommen instrumentalisiere und auf diese Weise politischen Druck ausübe. Aber auch in der Energiepolitik der Europäischen Union ist die Unabhängigkeit von russischem Gas seit langem ein Thema, dass maßgeblich dazu beigetragen hat, die Vorbereitungen für die geplante Nabucco-Pipeline so weit voranzutreiben.
Interessant ist die unkonventionelle Erdgasquelle Schiefergas aber auch in anderer Hinsicht: Neben den energiepolitischen Machtverhältnissen kann er die CO2-Emissionen nachhaltig reduzieren und Kohle als primären Energieträger Nummer Eins ablösen. Kohle ist der einzige Energieträger, der bislang überall verfügbar war. Der Schiefergas-Boom könnte Erdgas aber im selben Maße verfügbar machen, so dass viele Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke ersetzt werden könnten: Bei der Stromerzeugung aus Erdgas wird nur etwa die Hälfte der klimaschädlichen CO2-Emissionen ausgestoßen.
Wie groß die förderfähigen Schiefergas-Mengen aber wirklich sind, wird man erst wissen, wenn an den aussichtsreichen Stellen Probebohrungen durchgeführt worden sind. Die Internationale Energie Agentur (IEA) schätzt die weltweiten Reserven an Schiefergas auf 921 Billionen Kubikmeter. Bewahrheitet sich diese Prognose, würden die Schiefergas-Vorkommen die konventionellen Erdgasreserven um das fünffache übersteigen.
China und Indien sind laut der IEA die Länder mit größten Schiefergas-Reserven. Die Regierungen der USA und China habe bereits eine „US-China-Schiefergas-Initiative“ gestartet, in der amerikanisches Know-How gegen zukünftige Investitionsmöglichkeiten getauscht wird, wie der „Economist“ berichtet. Auch in Europa werden bereits in Polen, Deutschland und Österreich Probebohrungen durchgeführt.