Die Autoindustrie versagt
Es ist wirklich seltsam: Jeder sechste bis siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt von der Automobilindustrie ab. Geht es Volkswagen schlecht, können Städte wie Braunschweig und Wolfsburg zumachen. Jetzt steht mit dem Elektroauto ein riesger Umschwung an - und bis auf ein paar Prototypen hat die gesamte Industrie kaum etwas zu bieten. Woher kommt das?
Die Gründe hierfür sind vielschichtig, aber es lassen sich vor allem zwei ausmachen. Erstens: Die Automobilindustrie hat keinen Einfluss außerhalb ihres sehr engen Marktes. Und der zweite: Sie hat schlicht und ergreifend keine Ahnung von Elektroautos.
Es gab mal eine Zeit, da war Outsourcing schick. Immer mehr Komponenten eines Produktes wurden "outgesourct", also deren Entwicklung und Produktion an externe Firmen vergeben. Vorbild waren die Computerhersteller, die man besser mit dem charakterisiert, was sie heute nicht mehr können: Computerhersteller haben kaum Ahnung von Software, wichtige Hardware wie Chips wird zugeliefert, und auf externe Geräte wie Drucker wird nach der Preisverdoppelung maximal noch das eigene Logo draufgeklebt. Allein: In der Automobilindustrie sieht es nicht viel anders aus.
Und das ist schon das erste Problem: Moderne Autohersteller haben so viele Entwicklungen und deren Fertigung extern vergeben, dass trotz tausendfacher Mannstärke einfach das Wissen fehlt. Und selbst dort, wo die Autoindustrie ihr ureigenstes Know-How sieht, bleibt bei genauer Betrachtung nicht mehr viel übrig. Medienwirksam wird gegen den Einheitsmotor in der Formel 1 protestiert - doch wird gerne verschwiegen, dass wesentliche Bauteile ganz normaler Motoren wie die Kolben heute selbstverständlich vom Zulieferer kommen. Selbst Unternehmen wie VW, die über eine hohe Fertigungstiefe verfügen - die also viel selbst machen - lassen komplette Module wie den Vorderwagen früherer Golf-Modelle außer Haus entwickeln. Man könnte noch viele Beispiele nennen, aber eines ist vielleicht am deutlichsten, weil am ältesten: Reifen, und damit die einzige Verbindung des Autos zur Straße, hat nie ein Autohersteller selbst gefertigt. Da steht die gesamte Industrie praktisch und theoretisch auf dem Schlauch, hat soviel Ahnung vom Thema wie die junge Dame auf dem Foto.
Automobilfirmen haben also was? Den Zugang zum Kunden, Erfahrung mit Marketing, Fertigung und eine riesige Abteilung, die das Lastenheft für das neue Automobil entwirft. Ist es verabschiedet, laufen die einzelnen Abteilungen los und kaufen ein - siehe oben. Doch das zweite strukturelle Problem trifft die Autoindustrie zur Zeit wesentlich härter: Sie hat keine Verbindung zu lebenswichtigen Stoffen.
Der aktuelle Umschwung des Automarktes hin zu sparsamen und günstig zu erwerbenden Autos - wenn denn überhaupt gekauft wird - ist komplett fremdgesteuert. Es wäre mit moderaten Spritpreiserhöhungen noch lange Zeit so weitergegangen wie jetzt. Doch dann der Gau: Die Benzinpreise explodieren und mit ihnen implodiert der Absatz. Und die hochbezahlten Manager sitzen da und versuchen hektisch zu retten, was nicht zu retten ist.
Hier lohnt ein Blick auf die Energiebranche, die zur Zeit klotzig verdient. Konzerne wie E.on, RWE oder Vattenfall haben alles in der Hand. Komplett. Sie beteiligen sich an Gas- und Ölfeldern, fördern die Rohstoffe, verwandeln sie in eigenen Kraftwerken zu Strom oder Wärme und liefern diese dann an über ihre eigenen Netze an ihre eigenen Kunden. Diese Konzerne decken die gesamte Handelskette mit allen Margen ab, was heute gerne "Wertschöpfungskette" genannt wird. Im Klartext: Sind Rohstoffe teuer, wird eben am Transport des Stroms verdient. Wird die Produktion von Strom zu teuer, können diese Kosten in den eigenen Kraftwerken beeinflusst werden.
Nichts davon in der Automobilindustrie. Die entwickelt Teile von Autos und stellt sie dann beim Händler auf den Hof. Kein Autokonzern hat nennenswerte Anteile an einem Energiekonzern oder Ölfeld. So reichte eine Krise in einem angrenzenden Wirtschaftsfeld - der Ölindustrie - und weltweit stehen Konzerne vor dem Ruin.