Streitgespräch: Energieverorgung der Zukunft

Unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Energieversorgung gibt es in den Fraktionen des Deutschen Bundestages. Dies wird deutlich in einem Streitgespräch der beiden Abgeordneten Gudrun Kopp (FDP) und Ulrich Kelber (SPD) für die Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ vom 20. April 2009. Während der Bonner Ulrich Kelber für das Jahr 2050 einen Strommix aus verschiedenen erneuerbaren Energien erwartet, wünscht sich Gudrun Kopp aus Ostwestfalen/Lippe „Offenheit für sämtliche Energieträger“, also auch für die Atomkraft. 
 
Frau Kopp, seit elf Jahren darf die FDP bei der Energiepolitik nur zuschauen, nicht mitregieren. Wo sehen sie den größten Fehler?
Kopp: Die Regierung hat bis heute kein konsistentes Energiekonzept vorgelegt. Wirtschaftlichkeit, Klimaschutz und Versorgungssicherheit gehören gleichrangig auf die Agenda. Stattdessen ist die Energiepolitik noch immer selektiv auf ganz bestimmte Energieträger ausgerichtet.
 
Sie meinen, zu sehr pro Erneuerbare Energien und contra Atomkraft?
Kopp: Zum Beispiel. Und ich bin diesen ständigen Streit so schrecklich leid. Es gibt die Notwendigkeit für den Einsatz von erneuerbaren, genauso wie für fossile Energien, einschließlich der klimaschonenden, kostengünstigen Kernkraft. Große Industrieanlagen können nicht mit Energie versorgt werden, indem wir ein paar Windräder daneben stellen. Wir brauchen große Kraftwerke und wir brauchen Kernkraft, auch für den Klimaschutz.
 
Herr Kelber, die SPD dürfte das etwas anders sehen.
Kelber: Ja, völlig. Die vergangenen Jahre sind nachprüfbar eine große Erfolgsstory im Energiebereich. Wir sind in allen wichtigen Technologien zum Weltmarktführer geworden, wir haben im Bereich der erneuerbaren Energien 250.000 Arbeitsplätze geschaffen. Wir erfüllen alle Klimaschutzvorgaben vollauf. Und wir haben einen steigenden Stromüberschuss.
 
Schweden, Finnland, Italien, Großbritannien – überall gibt es Bekenntnisse zur Kernkraft. Stimmt Sie das nachdenklich?
Kelber: Moment. Gebaut wird nur in Finnland, und da sagt der Wirtschaftsminister, nach diesem Atomkraftwerk ist Schluss, weil es so teuer geworden ist, dass die finnischen Bürger über Jahre einen Aufpreis auf den Strompreis zahlen müssen. In Schweden und Großbritannien muss man abwarten, ob ohne Subventionen überhaupt ein Kraftwerk gebaut wird, und in Italien werden wir bis 2020 kein einziges Atomkraftwerk ans Netz gehen sehen. Die Wette gehe ich ein.
 
Frau Kopp, halten Sie dagegen?
Kopp: Fakt ist doch, dass weltweit 42 neue Kernkraftwerke im Bau und weitere 80 in Planung sind – damit sind wir mit unserem Atomausstieg Geisterfahrer. Wir haben europaweit jetzt schon das Nachsehen beim Emissionshandel. Frankreich produziert 80 Prozent seines Strombedarfs in Kernkraftwerken und hat enorme Kostenvorteile beim CO2-Sparen. Wir gefährden massiv den Industriestandort Deutschland, wenn wir beim vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie bleiben und obendrein auch die moderne Kohleverstromung verteufeln.
Kelber: Im letzten Jahr haben sieben der 17 Atomkraftwerke über Monate stillgestanden, trotzdem war es ein Jahr mit Rekord-Stromexporten. Wir sind weit entfernt von Engpässen wegen des schrittweisen Ausstiegs aus der Kernenergie. Wer wirklich an die Monopole auf den Strommärkten ranwill, darf nicht Monopolisten-Kraftwerke wie die Atommeiler länger laufen lassen, die hochsubventioniert sind. Sonst werden keine neuen Wettbewerber investieren.
 
Die FDP als Partei der Monopole?
Kopp: Nein, natürlich nicht! Die FDP will den Wettbewerb stärken, etwa durch die Regulierung der Stromnetze als natürliche Monopole und eine Stärkung des Bundeskartellamtes. Wir kritisieren die übermäßig hohe Förderung ganz bestimmter Energieträger, etwa der Photovoltaik. Die Regierung macht Politik gegen die Verbraucher, die am Ende die hohen Steuern und Abgaben bezahlen müssen. Viel wichtiger wären Investitionen in den Neubau von Kraftwerken, der Ausbau von effizienten, erneuerbaren Energien und der Netzausbau.
Kelber: Sie sind zu sehr im Status quo verfangen. Bei jeder Entscheidung für ein neues Kraftwerk ist doch die Frage, gegen wen tritt es an. Wenn die großen Monopolunternehmen sich Hoffnung machen, dass sie ihre Atomkraftwerke nach September 2009 länger weiterbetreiben können als gedacht, senkt das die Rendite für jeden Neubau.
 
Herr Kelber, beim Thema Kohlekraft ist die Haltung nicht ganz so klar.
Kelber: Wir machen es uns eben nicht ganz so einfach wie andere. Aber wir haben eine ganz klare Reihenfolge: Effizienz als erstes, Erneuerbare als zweites, und dann kommt die Frage, was machen wir mit den bestehenden fossilen Kraftwerken, Gas und Kohle. Ich glaube, wir brauchen mehr Gas, um die fluktuierende Einspeisung erneuerbarer Energien besser abfangen zu können. Aber wir sind gut beraten, alte, dreckige Kohlekraftwerke nicht beliebig lang laufen zu lassen. Die Kraftwerke, die wir bis 2020, 2025 noch brauchen, die sollten wir möglichst jetzt modernisieren. Später können wir sie noch nachrüsten, mit Technologien zur Abscheidung von Kohlendioxid.
 
Lesen Sie im zweiten Teil: Wieviel Ökostrom soll es geben, was ist mit der Atomenergie?
 
 
 
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