Warum ist Atomstrom so billig?

Atomstrom ist günstig, so lautet das Credo der Atomkraftbefürworter. In den abgeschriebenen Meilern könne Strom konkurrenzlos billig produziert werden. Stimmt das? Wir haben uns die Kosten des Atomstroms mal genauer angeschaut.

In Deutschland gibt es derzeit 17 Atommeiler, die von Wartungsarbeiten oder Störungen abgesehen, seit Jahrzehnten Strom produzieren (Im Bild: das AKW Krümmel). Und dieser Strom, so die Betreiber der Atomkraftwerke, sei sehr günstig. Würden die Kernkraftwerke wegfallen, stiege der Strompreis. Doch die Realität sieht anders aus: In den vergangenen Jahren ist der Strompreis um 50% gestiegen, trotz laufender AKW. Befürworter der Atomkraft argumentieren wiederum, dass ohne die AKW der Preis noch höher sei.

Tatsächlich ist der Atomstrom in der Produktion für die AKW-Betreiber günstig. Wie günstig genau, ist nicht zu erfahren, hier halten sich die Energiekonzerne sehr bedeckt. Nach unwidersprochenen Schätzungen liegen die Produktionskosten jedoch bei etwa 3 bis 4 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Windstrom kostet fast das Dreifache, nämlich gesetzlich vorgeschriebene 9,2 Cent pro Kilowattstunde. Solarstrom kostet bei älteren Anlagen sogar bis zu 40 Cent pro Kilowattstunde. Der Kunde zahlt am Ende per Stromrechnung knapp 20 Cent für die gleiche Menge. Tatsächlich scheint die Atomkraft also sehr günstig zu sein.

Stimmt das?

1. Wie wird der Strompreis gebildet?

Strom wird heutzutage wie so viele Güter an der Börse gehandelt, in diesem Fall an der Leipziger Strombörse EEX. Den Preis an der Börse bestimmt wie überall das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Und siehe da: Der Atomstrom ist nicht günstiger als alternativer Strom. Woher das kommt, ist ganz einfach zu erklären: Niemand kann Atomstrom kaufen. An der EEX wird Strom nicht nach Herkunft oder Produktionsart, sondern nach Kilowattstunde gehandelt. Und hier kann Atomstrom gar nicht günstiger sein.

Atomstrom deckt nicht den ganzen Stromverbrauch in Deutschland, tatsächlich sind es rund 25%. Den restlichen Strom produzieren andere Kraftwerke. Die Energieversorger lassen also ihre Kraftwerke natürlich auch nach Kosten laufen: Zuerst sieht man zu, dass die AKW laufen. Dann die teureren Kohlekraftwerke, und wenn das den Stromverbrauch immer noch nicht deckt, laufen die Gaskraftwerke an. Das wiederum führt dazu, dass den Strompreis an der Börse das letzte und damit teuerste Kraftwerk bestimmt, welches am Netz ist. Denn tatsächlich würde jede zusätzlich verkaufte Kilowattstunde vom teuersten Kraftwerk produziert, da alle anderen bereits auf Vollgas laufen.

Atomstrom könnte in der Produktion dreimal so teuer sein, die Stromrechnung der Kunden würde nicht um einen Cent steigen.

2. Aber Atomstrom ist doch günstiger, wo bleibt dann das Geld?

Kernkraft ist in der Produktion für die Energiekonzerne die günstigste Form, Strom zu produzieren. Wie eben beschrieben, bestimmt jedoch das jeweils teuerste Kraftwerk den Preis an der Börse (im Bild: handelsraum der EEX). Die Differenz zwischen dem günstigen Atomstrom und dem Marktpreis bleibt bei den Energiekonzernen, deren Gewinne in den letzten Jahren geradezu explodiert sind. Ein Beispiel: Sollte der Atomstrom in der Produktion nur 3 Cent kosten und der Marktpreis bei 9 Cent liegen, beträgt die Gewinnspanne 200%.

Auch hier gibt es keine genauen Zahlen, aber ebenfalls unwidersprochen ist der Gewinn, den ein durchschnittliches Atomkraftwerk seinem Besitzer bringt: 1 Million Euro. Pro Tag. Vattenfalls Atommeiler Krümmel, der am 4. Juli 2009 mit einer erneuten Schnellabschaltung für umfassende Stromausfälle in Hamburg sorgte, verursachte also in seiner zweijährigen Ruhezeit Mindergewinne von über 700 Millionen Euro. Mit den kolportierten 300 Millionen Euro, die die zweijährige technische Überarbeitung von Krümmel zuvor gekostet hat, musste Vattenfall also auf eine Milliarde Euro verzichten. Klingt viel, trotzdem gibt es bei dem Tagesgewinn laut der Süddeutschen Zeitung nur einen Begriff für abgeschriebene Atommeiler: "Gelddruckmaschinen".

Doch das gilt nicht für jeden Meiler - mehr dazu im zweiten Teil des Artikels.

 

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