"Desertec ist so wichtig wie die Mondlandung"
Mit riesigen Solarkraftwerken in der nordafrikanischen Wüste wollen 15 Unternehmen Strom erzeugen und nach Europa transportieren. Am Projekt ,,Desertec" sind unter anderem die Münchener Rück, RWE, E.ON, die Deutsche Bank sowie Firmen aus der Solarwirtschaft beteiligt. Die Idee wird kontrovers diskutiert, obwohl noch ein weiteres derartiges Großprojekt existiert: Der Solarplan der EU. Dr. Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik, ist sich sicher: "Trotz aller Risiken sind diese Projekte alternativlos. Gefragt sind jetzt deutsche und europäische Weichenstellungen", wie sie der Landeszeitung Lüneburg sagte.
Solarstrom aus der Wüste - ist dies eine Fata Morgana oder eine realistische Vision?
Dr. Kirsten Westphal: Das ist eine realistische Vision, wenn man die nötigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen schafft. So muss Europa die Weichen dafür stellen, dass Solarstrom in Europa auch über Grenzen hinweg gehandelt werden kann. In Nordafrika müssen dagegen überhaupt erst mal die Voraussetzungen geschaffen werden, dass in größerem Maßstab in konzentrierte Solarkraft investiert wird.
Wie groß sind die politischen Risiken in Nordafrika?
Dr. Westphal: Ich würde gar nicht von Risiken sprechen, sondern von unfreundlichen Rahmenbedingungen. Viele nordafrikanische Staaten sind Öl- und Gasproduzenten, deren Regime halten sich nicht zuletzt, indem sie die Profite, die Renten aus diesem Geschäft, zum politischen Machterhalt nutzen. Zudem existieren dort oft noch niedrige, weil subventionierte Strompreise. Solarstrom, der zu Anfang teuer sein wird, könnte damit nicht konkurrieren. Und das wäre fatal, weil ein großer Anteil des erzeugten Stroms vor Ort verkauft werden soll.
Woran hakt die Umsetzung des EU-Solarplanes von 2008?
Dr. Westphal: Zum einen hemmt das globalpolitische Umfeld. Nach dem Gaza-Krieg haben die arabischen Staaten Ende 2008 und Anfang 2009 die offiziellen Treffen der "Union für das Mittelmeer" ausgesetzt, unter deren Dach der Solarplan verwirklicht werden soll. Hinter den Kulissen arbeiten Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien mit nordafrikanischen Partnern aber weiter an dem Vorhaben, das die Installation von 20 Gigawatt in der Region bis 2020 vorsieht.
Aber die Europäer sind sich auch nicht einig: Während Berlin einen Masterplan favorisiert, setzt Paris auf werbewirksame Pilotprojekte. Sind sich die Europäer wenigstens über das strategische Ziel einig, ihre Abhängigkeit von Nahost-Öl und russischem Gas zu verringern?
Dr. Westphal: Ich bezweifle, dass dies das strategische Ziel ist, das dahinter steht. Vorrangiges Ziel muss es sein, den Umbau unseres Energiesystems, das auf fossilen Brennstoffen, also Öl, Kohle und Gas basiert, voranzutreiben und erneuerbare Energien in großem Stil zu nutzen. Das ist notwendig, um die Klimaerwärmung - wie nun als globales Ziel vereinbart - auf zwei Grad zu begrenzen. Eine dazu notwendige Reduktion der CO2-Emissionen um mindestens 50 Prozent und in den Industrieländern um 80 Prozent 2050 ist mit konventionellen Energien nicht zu erreichen. Da ist es sinnvoller, die größte Energiequelle überhaupt anzuzapfen, die Sonne. Sie verspricht auch, die zweite große Herausforderung anzugehen: Die Energiearmut, die in vielen Regionen herrscht, wo die Mehrheit der Bevölkerung keinen Zugang zu Strom hat. Solarenergie kann übrigens auch zur Entsalzung genutzt werden und damit das Wasserproblem eindämmen.
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