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Förderung wie Apollo


Verwundert es Sie nicht, dass dem Wüstenprojekt angesichts dieser Tragweite keine Priorität eingeräumt wird wie einst dem Apollo-Programm?
Dr. Westphal: In der Tat. Nicht zufällig hat E.on-Chef Wulf Bernotat das Desertec-Projekt mit der Mondlandung verglichen. Zwar gibt es nicht diese staatliche Förderung wie damals beim Apollo-Programm, aber die ersten Schritte wurden gemacht. Das Solarprojekt der EU bereitet politisch den Boden, Desertec bündelt nun die Interessen der Industrie. Bevor allerdings Nationen erste Investitionen tätigen können, muss Europa Hindernisse aus dem Weg räumen. So müssen die Markteintrittsbarrieren für die neuen Kraftwerkstechnologien und den Solarstrom abgebaut werden, damit dieser nach Europa importiert werden kann. Dazu muss sicher erstmal Geld in die Hand genommen werden in Form von günstigen Krediten, Steuererleichterungen, Einspeisetarifen und Subventionen.
 
Wären die Übertragungsleitungen ähnlich empfindliche Energieadern wie Gas-Pipelines?
Dr. Westphal: Das ist eine wichtige Frage. Aber: Strom ist mit Öl oder Gas nicht zu vergleichen. Strom ist eine Endenergie, die direkt in den täglichen Bedarf fließt. Öl und Gas sind dagegen sogenannte Primärenergieträger, die auch, wenngleich nicht immer leicht, substituierbar, also zu ersetzen sind. Fällt der Strom aus, merken es die Nutzer sofort. Insofern ist die Gesellschaft in diesem Punkt sogar noch verwundbarer als bei russischem Gas. Aber das Gleiche gilt auch für die Stromproduzenten, weil sich Strom nur sehr unzureichend speichern lässt. Es liegt also in deren ureigenem Interesse, den Strom zu verkaufen. Zwar ist die Energie-Infrastruktur unserer Gesellschaft in Gänze sehr empfindlich. Doch im Falle des Wüstenstroms reden wir nicht von einer Leitung und einem Großkraftwerk, sondern von vielen in mehr als zehn Ländern. Damit haben wir eine größere Diversifizierung als beim Gas, wo es nur drei bis vier Hauptlieferanten für den europäischen Markt gibt.
 
Muss Europas Energie-System für eine Wende hin zu regenerativen Energien komplett umgebaut werden?
Dr. Westphal: Nein, aber je mehr wir auf Wind, Wasser und Sonne setzen, desto stärker müssen wir unser Stromnetz modernisieren und ausbauen. Insbesondere bedarf es der Installation von Hochspannungs-Gleichstromleitungen und dem Aufbau eines sogenannten "super smart grid", das Strombedarf und -erzeugung über intelligente Informationstechnologien besser managt. Diese Notwendigkeiten bestehen ohnehin. Damit bestehen aber auch positive Synergieeffekte, wenn man auf konzentrierte Solarkraft setzt.
 
Wäre ein Solar-Großprojekt in der Wüste der Todeskuss für eine dezentrale Energieversorgung, etwa über Solarmodule auf Dächern?
Dr. Westphal: Nein, beides ist kompatibel. Wollen wir dem Klimawandel wirksam begegnen, brauchen wir die dezentrale Photovoltaik und die konzentrierte Solar-Power. Das ist gerade auf globaler Ebene wichtig. Denken Sie an Schwellen- und Entwicklungsländer mit Megastädten, die versorgt werden müssen, aber auch Dörfer, die nicht am Stromnetz hängen. Da brauchen wir die Photovoltaik fürs Land und die Solarthermie für die urbanen Zentren. Beides ist verknüpfbar, auch in Deutschland. Deutschland muss allerdings überlegen, ob es weiterhin der Photovoltaik im eigenen Land Vorfahrt geben soll, etwa über günstige Einspeisetarife, oder ob hier ein Umschwenken auf mehr importierten Strom aus Solarthermie sinnvoller ist.
 
Was kann die EU tun, um die Solarthermie konkurrenzfähig zu machen?
Dr. Westphal: Kraftwerke hinstellen. Punkt. Die Technologie ist erprobt, sie läuft. Jetzt muss das Ganze marktfähig und in einen großindustriellen Maßstab gebracht werden. Die Kostensenkung ist umso stärker, je mehr Kraftwerke man baut. Das muss natürlich in gegenseitigem Vertrauen und in Kooperation mit den Partnerländern vor Ort gemacht werden. Konzentrierte Solarkraftwerke sind nur zwischen dem 35. nördlichen und dem 35. südlichen Breitengrad im Sonnengürtel der Erde effektiv.
 
Kann die Industrie die 400 Milliarden Euro Investitionskosten für Desertec aufbringen, oder müssen die Staaten einspringen?
Dr. Westphal: Die Regierungen sollten schon überlegen, wie sie diesem Projekt den Weg ebnen können. Sei es durch günstige Kredite oder Einspeisetarife, sei es durch die Schaffung von Handelsplätzen für Solarstrom. Letztlich werden die heutigen Kohle- und Atomkraftwerke ja auch subventioniert, weil viele Folgekosten von der Gemeinschaft getragen werden. Eine noch ungelöste Frage ist aber der Ausbau von Netzen. Auf Europas Energiemarkt regiert eine Kultur des Wettbewerbs - geringe Kosten und Zugang für alle zu den Netzen. Jetzt sind wir aber an einem Punkt angekommen, an dem erhebliche Investitionen in die Netze vorgenommen werden müssen. Das werden die Konzerne nicht alleine stemmen können oder wollen. Hier wäre ein Paradigmenwechsel in der EU sinnvoll: Weg vom Wettbewerb, hin zu mehr Versorgungssicherheit auch durch moderne Netze. Infrastruktur hat letztlich den Charakter eines öffentlichen Guts. Hier öffnet die Finanzkrise ein Fenster, das genutzt werden sollte, denn Mittel aus Konjunkturprogrammen sollen in die Erneuerung der Netze fließen.
 
Hätte eine Solarpartnerschaft mit Nordafrika das Potenzial, die Region zu stabilisieren?
Dr. Westphal: Ja, Zusammenarbeit im Energiebereich wirkt vertrauensfördernd. Entsprechendes erlebte Deutschland im Kalten Krieg beim Erdgas-Röhren-Deal mit der Sowjetunion. Zudem ist es eine Grundlinie der EU gegenüber den Mittelmeeranrainern, Stabilität über wirtschaftliche Zusammenarbeit zu exportieren.
 
Müssten die Nordafrikaner letztlich "ihren" Solarstrom bei europäischen Firmen kaufen?
Dr. Westphal: Das ist die große Frage. Das Geschäft mit den nordafrikanischen Staaten muss in Augenhöhe abgeschlossen werden. Letztlich darf es nicht darauf hinauslaufen, dass sie teuren Solarstrom von den Europäern kaufen.
 
Kann so verhindert werden, dass das Projekt als Neo-Kolonialismus empfunden wird?
Dr. Westphal: Ja. Die Länder müssen profitieren, mit Arbeitsplätzen, mit Technologietransfer. Letztlich wird auch weniger Gas und Öl im Inland verbraucht, das mit mehr Gewinn ins Ausland exportiert werden kann. Und nicht zuletzt öffnet sich den energiearmen Ländern eine Perspektive als Energieproduzenten und den energiereichen eine Perspektive auch nach dem Ölboom strategisch wichtig zu bleiben. Dennoch bestehen Hürden: Die noch ausstehenden Vorleistungen, etwa bei der Liberalisierung des Energiesektors, sind politisch schwer durchzusetzen. Für den Westen gibt es einen zusätzlichen sicherheitspolitischen Nutzen. Einige nordafrikanische Länder erwägen den Einstieg in die Atomtechnologie. Kann ihnen Solarstrom schmackhaft gemacht werden, gewinnen wir global mehr Sicherheit - sowohl beim Erzeugen der Energie als auch beim Vermeiden der Gefahr, dass Technologie zum Kernwaffenbau weiterverbreitet wird.
 
Das Interview führte Joachim Zießler. Mit freundlicher Genehmigung der Landeszeitung Lüneburg

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