Teil 1 von 3: Atompolitik und Entsorgung

Was wollen die Parteien in der Energiepolitik erreichen, falls sie nach der kommenden Bundestagswahl an der Regierung beteiligt sind? Stromtipp.de bat deren Energiepolitische Sprecher um Antworten auf unsere Fragen.

Mit überraschenden Ergebnissen, denn teils liegen die Positionen so weit auseinander, dass eine Koalitionsaussage kaum möglich sein wird. Beispiel Atompolitik: Wo die FDP in ihr eine umweltschonende Alternative sieht, wollen Die Linken alle Kernreaktoren möglichst schnell abschalten. Ebenso wird es Streit über die Förderung erneuerbarer Energien geben oder bei der Besteuerung von Strom.

Neben dem kontroversen Thema Atompolitik (Teil 1) wollen wir von den Vertretern auch wissen, wie es um ihre Haltung zum Energiesparen oder um die Refinanzierung geplanter Förderungen steht (Teil 2). Werden bestimmte Energieträger teurer, um andere zu fördern? Im letzten Teil geht es dann um die längerfristigen Energie-Perspektiven der Parteien (Teil 3). Welches Ziel wollen die Volksvertreter vor der übernächsten Bundestagswahl, also 2013, erreicht haben? Was lässt sich in der Energiepolitik schaffen, was soll umgesetzt sein? 

<span>Teil 1 von 3: Atompolitik und Entsorgung</span>


Stromtipp.de:

<span>Wie stehen Sie zum Beschluss der ehemaligen Rot-Grünen- Bundesregierung, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu begrenzen?</span>


Wir streben eine Laufzeitverlängerung der sicheren deutschen Kernkraftwerke an. Der größte Teil des zusätzlich generierten Gewinns aus der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke soll nach einer verbindlichen Vereinbarung mit den Energieversorgungs- unternehmen zur Forschung im Bereich der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien sowie zur Senkung der Strompreise genutzt werden.

Wir brauchen die Kernenergie als Übergangstechnologie, bis erneuerbare Energien in ausreichendem Umfang grundlastfähigen Strom erzeugen können oder die Abscheidung und Einlagerung von CO2 für Kohlekraftwerke im großtechnischen Maßstab zur Verfügung steht. Die Laufzeiten sicherer Kernkraftwerke müssen daher in diesem Sinne verlängert werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen den Atomausstieg ohne Wenn und Aber fort. Nach dem Atomausstiegsgesetz werden in der kommenden Legislaturperiode bis zu sieben Atomkraftwerke abgeschaltet. Alte, besonders riskante Meiler wollen wir vorzeitig vom Netz nehmen.

Der so genannte rot-grüne Atomkonsens ist weitgehend wirkungslos. Er stellt vielmehr eine Betriebsgarantie für die gefährlichen Anlagen dar. Durch Übertragungen von Strommengen und vorgeschobene Wartungen konnten die Betreiber den Ausstieg der 17 AKW bereits um bis zu drei Jahre verzögern. DIE LINKE fordert deshalb die unverzügliche und unumkehrbare Stilllegung aller Atomanlagen in Deutschland. Nach unserem Konzept „Atom-Stopp“ ist das innerhalb der nächsten Wahlperiode machbar.

Wir halten unbeirrt am Atomausstieg fest. Eine Laufzeitverlängerung würde die Gefahren dieser Risikotechnologie erhöhen und nur den Zweck verfolgen, die Gewinne der Stromkonzerne zu erhöhen. Der erforderliche Strukturwandel der Stromversorgung in Richtung deutlich gesteigerter Stromeffizienz, deutlich höherem KWK-Anteil und hoher Ausbaudynamik der Erneuerbarer Energien wäre bei einer Laufzeitverlängerung grundsätzlich in Frage gestellt. Ohne unsere Regierungsbeteiligung wird der Atomausstieg aufgehoben!



Stromtipp.de:
<span>Wie ist Ihre Haltung zur Kernenergie allgemein?</span>


Die Kernenergie ist ein vorerst unverzichtbarer Teil in einem ausgewogenen Energiemix. Wir verstehen den Beitrag der Kernenergie zur Stromversorgung als Brückentechnologie, weil heute klimafreundliche und kostengünstige Alternativen noch nicht in ausreichendem Maße verfügbar sind. Einen Neubau von Kernkraftwerken lehnen wir ab.

Die FDP will auch in Zukunft die Versorgungssicherheit in Deutschland durch einen ideologiefreien Mix aus Energieträgern und Erzeugungstechnologien sichern. Bezugsquellen fossiler Rohstoffe sind breit zu streuen, um einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Lieferländern oder Energieträgern zu vermeiden. Mittelfristig brauchen wir einen Energiemix, der Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit vereint. Siehe im Übrigen die Antwort auf Frage 1.

Atomkraft ist lebensgefährlich, teuer, schützt nicht das Klima und verbaut die Zukunft. Der Umbau unserer Energieversorgung zu mehr Effizienz und Erneuerbaren Energien wird umso schneller gelingen, je früher die unflexiblen, nuklearen Großkraftwerke vom Netz genommen werden. Die Konzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall verdienen sich schon heute mit ihren abgeschriebenen und veralteten Kraftwerken eine goldene Nase. Jeder Tag Verlängerung bedeutet für die Steuerzahler bares Geld, eine Million Euro am Tag für jedes AKW.

Die Atomenergienutzung ist eine unbeherrschbare Technologie, die beim Betrieb sowie bei Transport und Endlagerung des Atommülls mit hohen Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden ist. Atomstrom verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten, während die Energiekonzerne mit den Atomanlagen ihre kartellartige Marktmacht sichern und pro Jahr mindestens sieben Milliarden Euro Profit einfahren. Darüber hinaus verleitet die Nukleartechnik zum militärischen Missbrauch.

Die Atomenergie ist ein Auslaufmodell. Wir steigen bis 2021 vollständig aus der Atomenergie aus. Bis dahin gelten die höchstmöglichen Sicherheitsstandards in allen Anlagen mit der Pflicht zur ständigen Nachrüstung. Wir fordern die Kraftwerksbetreiber auf, ihre alten, störanfälligen Atomkraftwerke früher vom Netz nehmen.



Stromtipp.de:
<span>Wie dringend ist es, die Frage der Endlagerung von Atommüll zu lösen? Ist das in der nächsten Legislaturperiode zu schaffen, wenn Ihre Partei (mit) in der Regierungsverantwortung steht?</span>


Im Fall schwach- und mittelradioaktiver Abfälle ist bereits in dieser Legislaturperiode mit dem Schacht Konrad, welcher 2014 in Betrieb gehen wird, eine Lösung gefunden worden. Bei der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle wollen wir eine sofortige Aufhebung des Moratoriums zur Erkundung des Standortes Gorleben, um die Erkundungen ergebnisoffen weiter fortzusetzen und so schnell wie möglich die Zwischenlager an den Kraftwerken auflösen zu können.

Deutschland braucht unabhängig vom Weiterbetrieb der Kernkraftwerke dringend eine sichere Lösung für den Verbleib hochradioaktiver Abfälle. Das Moratorium zur Erkundung des Salzstocks Gorleben ist aufzuheben, die Erkundungsarbeiten sind zügig und ergebnisoffen fortzusetzen, um eine abschließende Aussage über die Eignung des Standorts Gorleben als mögliches Endlager für hochradioaktive Abfälle treffen zu können. Insgesamt strebt die FDP an, das Thema Endlagerung hochradioaktiver Abfälle bis zum Ende der anstehenden Legislaturperiode zu einer endgültigen Klärung zu führen.

Die Frage der Endlagerung des Atommülls muss dringend gelöst werden. Durch den Vergleich mehrerer Standorte muss der bestgeeignete geologische Ort zur Aufnahme des Millionen Jahre strahlenden Atommülls gefunden werden. Wir Grüne wollen dafür ein Endlagersuchgesetz für ein ergebnisoffenes Suchverfahren der öffentlichen Hand mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung. Das Konzept der Nichtrückholbarkeit sollte grundsätzlich überdacht werden. Den Standort Gorleben halten wir jedoch auch aus geologischen Gründen für ungeeignet.

Zur Klärung der Endlagerfrage muss unverzüglich ein transparentes und ergebnisoffenes Suchverfahren zur Auffindung des am besten geeigneten Standorts eingeleitet werden. Dabei muss die Bevölkerung umfassend einbezogen werden. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben in der kommenden Wahlperiode. Bisher wurde von Grünen und SPD die Endlagersuche verschleppt. Voraussetzung ist jedoch der unverzügliche Atomstopp um die Menge des gefährlichen Strahlenmülls zu begrenzen.

Wir brauchen dringend ein ergebnisoffenes Auswahlverfahren, um den bestmöglichen Standort für ein Endlager zu finden. Hierzu werden wir ein Endlagersuchgesetz erlassen. Die notwendige Sanierung der atomaren Endlagerstätten Asse II und Morsleben verursacht hohe Kosten, an denen wir die Atomkonzerne beteiligen werden.



Stromtipp.de:
<span>Auf welche regenerativen (also nicht-fossilen) Energieträger würden Sie besonders stark setzen, wenn Ihre Partei (mit) in der Regierungsverantwortung steht?</span>


Wir wollen unseren Beitrag zu einer höheren Wirtschaftlichkeit und Grundlastfähigkeit erneuerbarer Energien leisten. Wir wollen den bisher eher quantitativen Ausbau der Erneuerbaren Energien zu einem qualitativen weiterentwickeln, etwa durch eine zukunftsfähige Strominfrastruktur unter Einschluss „IntelligenterStromnetze“ und Speichertechnologien. Eine Bevorzugung bestimmter erneuerbarer Energieträger ist nicht beabsichtigt, da wir die Erneuerbaren in der gesamten Breite weiter fördern wollen.

Nach Überzeugung der FDP ist es Aufgabe des Staates, auch für den Bereich der Energiewirtschaft vernünftig begründetet, stabile und für alle Marktteilnehmer langfristig verlässliche Ziele vorzugeben und Rahmenbedingungen zu schaffen, die zur Verwirklichung dieser Ziele geeignet sind. Die Vorgabe bestimmter Techniken hingegen gehört nach Auffassung der FDP nicht dazu.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen auf eine intelligente Verknüpfung und Vernetzung aller erneuerbaren Energien. Dafür sind vor allem Investitionen in den Ausbau der Energie- und Wärmenetze unverzichtbar. Darüber hinaus müssen wir effizienter mit Energie umgehen. Deshalb wollen wir Investitionen in einen Energiesparfonds, in eine bessere Gebäudesanierung, in Schienen und den Nahverkehr, in sparsame Autos und Elektromobilität.

DIE LINKE spricht sich für eine Energiewende hin zu einer regenerativen Vollversorgung aus. Dabei kommt es auf eine effizientere Energieverwendung und einen klugen Mix aus allen erneuerbaren Energien, also Wasser- und Windkraft, Solar- und Bioenergie sowie Erdwärme, an. Kernfusion spielt keine Rolle. Die Technologie ist – wenn überhaupt – nicht vor 2060 einsatzfähig. Sie kommt damit zu spät und verschlingt Milliardensummen, die dringend für die jetzige Umsetzung der Energiewende gebraucht werden.

Wir werden einen Nationalen Aktionsplan vorlegen, der zum beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien im Bereich Strom, Wärme und im Transport beitragen wird. Mit Hilfe unserer Technologie wollen wir bei der Windenergie auf dem Meer bis 2013 rd. 1.500-2.000 Megawatt aufbauen und bei der Photovoltaik bis Ende 2013 annähernd die Netzparität erreichen.



Stromtipp.de:
<span>Wie hoch soll der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix in den Jahren 2020, 2030 und 2040 sein?</span>


Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung soll bis 2020 bei 30 Prozent liegen. Langfristig soll der Schwerpunkt der deutschen Energieversorgung im Bereich erneuerbarer Energien liegen.

Die FDP unterstützt aus Gründen des Klima- und Ressourcenschutzes das Ziel der Europäischen Union, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf 20 Prozent an Primärenergieverbrauch zu erhöhen. Langfristig will die FDP jedoch eine vollständig regenerative Energieversorgung. Dazu muss die Nutzung erneuerbarer Energien auf Bereiche jenseits der Stromversorgung, namentlich auf den Verkehrs- und Wärmesektor ausgeweitet und die Kosten gesenkt werden.

Bis 2030 wollen wir 100 Prozent des Stroms regenerativ erzeugen und bis 2040 soll sämtliche Energie aus erneuerbaren Quellen kommen.


Bis 2020 soll der Anteil erneuerbarer Energien im Strombereich mindestens 50 Prozent erreichen. Das ist aufgrund des schnellen Branchenwachstums machbar und führt zur Schaffung von rund 300.000 neuen Arbeitsplätzen. 2030 können drei Viertel der elektrischen Energie regenerativ erzeugt werden. Bis 2040 soll dann eine weitgehende Vollversorgung aus erneuerbaren Energien erreicht sein. Dieser Weg garantiert eine stabile Versorgung aus heimischen Energieträgern zu bezahlbaren Preisen.

Wir werden den Anteil erneuerbarer Energien am Strommix auf mindestens 35 Prozent bis 2020, mindestens 50 Prozent bis 2030 und mindestens 70 Prozent bis 2040 steigern.

 

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