Kraftwerksbau in Deutschland zunehmend schweriger
Die deutschen Kraftwerksbetreiber haben ein echtes Problem: Kaum werden irgendwo Pläne zum Bau eines konventionellen Kraftwerks angekündigt, bricht der Strom der Entrüstung los - Neubau ja, aber bitte nicht bei mir, so das Motto.
Der Deutsche an sich neigt nicht unbedingt zu revolutionären politischen Taten. Das ändert sich jedoch schlagartig, sobald etwas in seiner unmittelbaren Umgebung passiert. Und das Phänomen ist nicht mal neu: Wie man jetzt veröffentlichten Dokumenten der 70er-Jahre entnehmen kann, wurde der damalige Standort für das atomare Endlager Gorleben auch deshalb ausgesucht, weil es dort erstens wenig Menschen gab und diese auch noch mit einer grundkonservativen Einstellung ausgestattet sein sollten. Wie die Geschichte ausgeht ist nicht bekannt - das Endlager ist immer noch nicht genehmigt - aber dass man damit nur sichere Wahlkreise für die Umweltschützer geschaffen hat, ist klar.
Doch auch heute gibt es immer häufiger Widerstand gegen den Neubau konventioneller Kraftwerke. Beispiele aus der vergangenen Woche: Knapp 40 Umweltaktivisten haben am Montag vor der Schweriner Staatskanzlei gegen das geplante Steinkohlekraftwerk in Lubmin protestiert. Vertreter der "Klimapiraten", des Bundes für Umwelt und Naturschutz und der Bürgerinitiative "Kein Steinkohlekraftwerk Lubmin" warnten in Redebeiträgen vor negativen Folgen für die Umwelt im Greifswalder Bodden und für die Tourismuswirtschaft auf Usedom.
Zusammengefasst laufen überall im Land Klagen gegen die Kraftwerksprojekte. Dabei sind sich alle Studien einig: Ob Marktforschungsunternehmen oder der Bund der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): In Deutschland müsste viel getan werden, um die Kernkraftwerke zu ersetzen oder alte Kraftwerke zu erneuern. In Zahlen: Rund 40 Gigawatt Kraftwerksleistung müssten nach gängiger Meinung in den nächsten Jahren neu gebaut oder grundlegend saniert werden - das sind 40 große Kraftwerke.
Die Kardinalsfrage lautet daher: Gibt es eine Stromlücke, sitzen wir bald alle im Dunkeln, bis die erneuerbaren Energien die Grundlast übernehmen können? Die Antwort darauf variiert je nach Interessenslage. In der ideologisch umkämpften Energiebranche gibt es fast keine unabhängigen Meinungen. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) beispielsweise, zu deren Eigentümern auch große Banken und damit Dienstleister der Energiekonzerne zählen, prognostiziert: "Bei Umsetzung des Energieprogramms der Bundesregierung, also bei einem sinkenden Stromverbrauch, wird bereits ab 2012 nicht mehr genügend gesicherte Kraftwerksleistung zur Verfügung stehen. Bis 2020 wächst die Differenz zwischen Jahreshöchstlast und gesicherter Kraftwerksleistung auf rund 11.700 MW." Das wären dann elf fehlende Großkraftwerke.
Deshalb richten sich die Proteste neben den Atomkraftwerken vorrangig geghen Kohlekraftwerke, die nach ihrem Bau oder der Modernisierung wieder jahrzehntelang laufen müssten. Doch, langsam wird die Zeit knapp, denn jetzt geraten auch bestehende Kohlekraftwerke ins Visier: Greenpeace-Aktivisten haben am Dienstag einen der neun Kühltürme am Braunkohlekraftwerk Jänschwalde bei Cottbus besetzt. Mit der Aktion protestieren die Umweltschützer gegen die ihrer Ansicht nach verfehlte Energiepolitik in Deutschland. In keinem anderen Land habe Braunkohle als klimaschädlichster Energieträger einen so hohen Anteil an der Stromerzeugung, sagte die Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters. Rund 20 Prozent der deutschen CO2-Emissionen stammten aus Braunkohlekraftwerken. Das Kraftwerk Jänschwalde stoße jährlich etwa 25 Millionen Tonnen CO2 aus und sei damit einer der größten Klimakiller Deutschlands.
Übrig bleibt deshalb eine Feststellung: Werden neue Kohlekraftwerke gebaut, sind die Klimaschutzziele der Bundesregierung sowie alle internationalen Ziele nicht zu erreichen. Offensichtlich gibt es nur den Weg über die erneuerbaren Energien.