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Strom aus Trinkwasser
Für das Problem steigender Stromkosten setzt die Kommune Schramberg im Schwarzwald auf eine zukunftsträchtige Lösung. Die Stadtwerke machen sich eine ungewöhnliche Energiequelle zur Stromgewinnung zunutze: ihr Trinkwasser. Genutzt wird die Kraft, mit der das Wasser von einem Hochbehälter in die Tiefe stürzt. Stadtwerkechef Peter Kälble will mit der Anlage "einen Beitrag zur umweltschonenden Energiegewinnung leisten", auch wenn sich die Anlage nicht gleich rechnet. In der bergigen Schweiz ist die Idee schon verbreitet, in Deutschland ist die Technik nach Einschätzung der Stadt Schramberg noch wenig gebräuchlich.
Vom Hochbehälter "Birkenhof" auf 762 Meter Höhe fließt das Schramberger Trinkwasser in den Hochbehälter "Schwabenhof" auf 545 Meter. Zehn Liter pro Sekunde schießen in einem Rohr zu Tal, 36 Kubikmeter pro Stunde. Bis vor knapp einem Jahr rauschte das Wasser mit Karacho in ein großes Becken, die Fallenergie verpuffte ungenutzt. Doch 2009 standen Sanierungsarbeiten am Hochbehälter Schwabenhof an und bei der Gelegenheit ließen die Stadtwerke eine Art Turbine einbauen.
"Eigentlich ist es eine umgedrehte Pumpe", erklärt Wassermeister Martin Pfundstein, "wenn sie als Pumpe arbeitet, treibt ein Elektromotor Schaufelräder in einem Zylinder an und die pressen das Wasser in die Höhe. Bei uns kommt das Wasser von oben, drückt auf die Schaufelräder und die drehen dann die Achse eines Stromgenerators." Für die Schramberger Stadtwerke war es das erste Projekt dieser Art.
Immerhin 54.000 Euro mussten die Schramberger in die neue Technik investieren. Eine jährliche Stromausbeute von gut 44.000 Kilowattstunden hatte ein Ingenieurbüro errechnet. Das reicht, um etwa ein Dutzend Vier-Personenhaushalte mit Strom zu versorgen. "Nach knapp einem Jahr haben wir genauere Zahlen und kommen sogar auf 47.000 Kilowattstunden", berichtet Wassermeister Pfundstein, der nach eigenen Angaben kaum Probleme mit der Anlage hat.
Durch die höhere Stromausbeute und weiter steigende Strompreise werde sich das kleine Trinkwasserkraftwerk nun schon nach zwölf Jahren, und nicht wie ursprünglich angenommen erst nach 16 Jahren amortisieren, schätzt er. Allerdings seien da die Finanzierungskosten nicht eingerechnet. "Theoretisch könnten wir noch an fünf oder sechs weiteren Stellen in Schramberg solche Anlagen installieren", erklärt Pfundstein, "das Problem ist, es gibt keine geeigneten Anlagen auf dem Markt."
Wasserkraft-Experte Wolfgang Strasser aus Dornstetten sieht noch große Potenziale für solche Pumpturbinen: "Alle Wasserversorgungsunternehmen sollten kritisch prüfen, ob sie solche Anlagen nicht installieren können." Ab einer Leistung von fünf Kilowatt komme man auf rentierliche Zahlen. Die Formel sei einfach: Je größer die Durchflussmenge und je höher die Fallhöhe - desto größer die Stromausbeute. Die Pumpturbine ermögliche die sinnvolle Nutzung vorhandener Energie. Bei kleineren Anlagen sei weniger die Pumpe der große Kostenfaktor, sondern die Infrastruktur: "Sie brauchen die hydraulischen Anlagen und die Steuerung und die sind ähnlich teuer, ob sie nun ein Kilowatt oder hundert Kilowatt Leistung haben."
Anders als bei großen Wasserkraftwerken mit aufwendigen, maßgeschneiderten Turbinen müsse man bei der "Kleinen Wasserkraft" auf vorhandene Technik setzen, um Kosten zu sparen. "Die Pumpen sind Massenware, die haben zwar keinen so hohen Wirkungsgrad, aber sie sind viel preisgünstiger." Dafür müsse die passende Stelle für ein solches Mini-Wasserkraftwerk penibel ausgesucht werden. An den anderen, theoretisch möglichen Stellen für eine Pumpturbine in Schramberg herrschten niedrigere Drücke und die anfallenden Trinkwassermengen seien geringer: "Da stimmen dann die Zahlen einfach nicht", so Strasser, der selbst zwölf solcher Anlagen für Wasserversorger geplant und eingebaut hat: "Die laufen alle praktisch störungsfrei und produzieren ihren Strom. Mit Gewinn", versichert er.
(ddp/Martin Himmelheber)