Laden wie von Geisterhand

Bei der elektrischen Zahnbürste funktioniert es bereits: Ist der Akku leer, legt man das Gerät einfach auf die Ladehalterung, und schon werden die Energiespeicher wieder aufgeladen. Das geht wie von Geisterhand, denn einen elektrischen Kontakt zwischen Ladestation und Zahnbürste gibt es nicht. Induktion heißt das Zauberwort bei dieser drahtlosen Übertragung von Energie, den auch der japanische Spielkonsolen-Hersteller Nintendo bei den Controllern seiner Wii (siehe Foto) nutzt.

Nach den Ideen einiger Wissenschaftler könnte dieses Prinzip künftig auch bei zahlreichen anderen elektronischen Kleingeräten wie Handys, Laptops und Taschencomputern zum Standard werden. Selbst die Elektroautos der Zukunft könnten ihre Energiespeicher wieder aufladen, ohne dass ein Mensch Hand anlegen und eine Kabelverbindung herstellen muss.

Das Prinzip der Induktion hatte der Brite Michael Faraday bereits
1831 entdeckt: Um einen Leiter, der von elektrischem Strom durchflossen wird, bildet sich ein Magnetfeld, erkannte der Physiker. Dieses Magnetfeld erzeugt in einem zweiten, eng benachbarten Leiter ebenfalls einen Stromfluss und kann daher genutzt werden, um Energie zu übertragen. Aus dieser Entdeckung ging schließlich die Idee hervor, Magnetfelder zur Energieübertragung zu nutzen. Genau das haben auch Hersteller von elektrischen Kleingeräten wie Philips, Nokia und Olympus im Sinn. Sie haben sich im Wireless Power Consortium (WPC) zusammengeschlossen und sich das gemeinsame Ziel gesetzt, noch im Laufe des Jahres 2010 einen einheitlichen Standard zum kabellosen Aufladen von Kleingeräten zu schaffen. Das berichtet der Technikjournalist Michael Vogel in einem Artikel der Aprilausgabe des Magazins bild der wissenschaft.

Ein einziges Ladegerät könnte damit die Akkus von Handy, Digitalkamera und MP3-Player aufladen. Es würde aus einer Matte mit eingearbeiteten Spulen bestehen, die ein Magnetfeld erzeugen. Die zugehörigen Kleingeräte müssten zum Aufladen natürlich selbst mit der entsprechenden Technik ausgestattet sein. Solche Matten werden zwar vereinzelt schon vertrieben, doch müssen die Geräte vor dem Laden bisher noch immer mit einer speziellen Adapterspule versehen werden.

Wie schnell sich der vom WPC angestrebte einheitliche technische Standard für die Induktionstechnik am Markt durchsetzen wird, da will sich Menno Treffers, Vorsitzender des WPC, nicht festlegen: "Die Integration der Spulen in die Geräte wie Handys oder Kameras ist aber kein Problem", sagt Treffers, der bei Philips für die Standards zuständig ist, gegenüber bild der wissenschaft.

Mit Distanzen zwischen den Spulen von höchstens einigen Millimetern soll die Übertragung eine Effizienz von rund 70 Prozent erreichen. Bei größeren Entfernungen geht die Effizienz allerdings drastisch nach unten. Noch mehr Leistung vor allem bei der Übertragung über größere Entfernungen erhofft sich der Physiker Marin Soljacic vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit seiner Idee, die er nun ebenfalls zu einer technischen Lösung weiterentwickeln möchte. Die beiden Spulen sind hierbei so aufeinander abgestimmt, dass das Magnetfeld nur bei einer bestimmten Frequenz Energie übertragen kann. Durch einen geschickten Aufbau kann er damit erreichen, dass die entsprechende Empfängerspule zwar viel Energie aufnimmt, andere Gegenstände im Raum hingegen nur sehr wenig. So konnte Soljacic im Labor bereits über eine Entfernung von zwei Metern eine 60-Watt-Glühbirne zum Leuchten bringen.

Gegenwind für diese Technik kommt von Achim Enders, Direktor des Instituts für Elektromagnetische Verträglichkeit der Technischen Universität (TU) Braunschweig. Enders sieht jenseits der technischen Schwierigkeiten vor allem das Problem, dass mit einem solchen Gerät die Grenzwerte zum Schutz vor den negativen Auswirkungen elektromagnetischer Wechselfelder nicht eingehalten werden können: "Natürlich sollte man niemals nie sagen, doch die induktive Kopplung über große Abstände bereitet enorme Probleme, wenn es um den Schutz von Menschen geht", sagt Enders in bild der wissenschaft.

Die Frage nach einem möglichen schädlichen Einfluss auf den Menschen beschäftigt auch die Hersteller von Elektrofahrzeugen, die ebenfalls an der drahtlosen Übertragung von Energie interessiert sind. Der Eisenbahnhersteller Bombardier beispielsweise erprobt auf seinem Firmengelände in Bautzen eine Straßenbahn, die ganz ohne Oberleitungen auskommt und ihre Energie stattdessen per Induktion aus zwischen den Schienen verlegten elektrischen Leitungen bezieht. So würde das Erscheinungsbild historischer Innenstädte nicht mehr durch hässliche Oberleitungen getrübt. Doch auch hier müssen Fahrgäste und Passanten vor einem möglicherweise schädlichen Einfluss elektromagnetischer Felder geschützt werden.

Dies gilt auch für Elektroautos, wo das Thema kabelloses Laden durch Induktion ebenso auf großes Interesse stößt. Die Fahrzeuge könnten einfach über Induktionsschleifen geparkt werden, die ihre Akkus berührungsfrei mit Energie aufladen. Ein Wechsel des Akkus wäre damit ebenso überflüssig wie das umständliche Hantieren mit dicken Kabeln. Auch hier ist Vereinheitlichung ein wichtiges Ziel der Hersteller: So erarbeitet der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) derzeit eine Richtlinie, nach der später einmal alle Fahrzeuge an allen Ladestationen mit Energie versorgt werden können. Denn ein Wirrwarr von Einzelsystemen wäre fatal in diesem erst entstehenden Markt.

(Ulrich Dewald/ddp)

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