Interview zur Energiepolitik: "Das passt nicht zusammen"

Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, macht mobil gegen den Kurs der schwarz-gelben Koalition bei der Atomenergie. Höhere Energiepreise seien "der zentrale Anstoß für einen sparsameren Umgang mit fossilen Energien". Mit Weiger sprach ddp-Korrespondent Jörg Säuberlich.

Wie bewerten Sie die Energiepolitik der schwarz-gelben Bundesregierung?
 
Weiger: Die CDU/CSU/FDP-Regierung verspricht die Vorlage eines zukunftsfähigen Energiekonzeptes und will zugleich alte Atommeiler bis zu 60 Jahren am Netz lassen. Beides passt nicht zusammen. Die Branche der erneuerbaren Energien und viele Stadtwerke wenden sich zu Recht gegen solche Pläne, da sie den Ausbau der klimafreundlichen Alternativen torpedieren. Leider wird auch die Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich deutlich zurückgefahren. Und besonders verwerflich ist das Scheitern eines wirkungsvollen Energieeffizienzgesetzes. Statt mit einem solchen Gesetz Energie zu sparen, setzt Schwarz-Gelb trotz schöner Worte zum Klimaschutz weiter auf Energieverschwendung.
 
Erwarten Sie, dass sich der Bundesumweltminister mit seiner Forderung nach einem frühen Atomausstieg durchsetzen kann?
 
Weiger: Umweltminister Röttgen verwendet gern das ökologische Vokabular, zugleich will er aber die Atomkraftwerke acht Jahre länger am Netz lassen, als es zwischen der rot-grünen Regierung und den Stromversorgern ausgehandelt wurde. Das ist nicht akzeptabel, denn dann würde in dieser Legislaturperiode erneut nicht ein einziges Atomkraftwerk abgeschaltet werden. Wenn Minister Röttgen seine These, Atomkraftwerke seien überflüssig, wenn 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, ernst nimmt, müsste er mindestens für ein Festhalten am Atomausstieg plädieren. Sollten sich die Atomfreunde in der Regierung aber durchsetzen und die Reaktoren 60 Jahre laufen, kommen völlig neue Risiken auf uns zu. Der BUND wird zusammen mit anderen gegen diese Pläne protestieren und ruft für den 24. April zur Umzingelung des AKW Biblis auf. Am selben Tag soll eine 120 Kilometer lange Menschenkette durch Hamburg und Schleswig-Holstein die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel verbinden.
 
Inwieweit kann der Arbeitsmarkt künftig von regenerativen Energien profitieren?
 
Weiger: Die erneuerbaren Energien sind eine Wachstumsbranche. Trotz der Wirtschaftskrise wächst die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich kontinuierlich. Bis 2020 kann hier eine halbe Million Menschen Arbeit finden. Hinzu kommt: Deutschland wird mit erneuerbaren Energien unabhängiger von schwankenden Weltmarktpreisen - und dies führt zu stabileren Energiepreisen. Die Wertschöpfung findet endlich im eignen Land statt und stärkt den ländlichen Raum, der zu einem Energielieferanten werden muss.
 
War in diesem Zusammenhang die Kürzung der Solarförderung sinnvoll?
 
Weiger: Die Kürzung ist sinnvoll, wenn sie sich an den gesunkenen Herstellungskosten für die Solarpaneele orientiert. Das Hin und Her um die Höhe der Absenkung aber behindert Investitionen in diese umweltfreundliche Art der Energieerzeugung. Wichtig bleibt, dass die Zahl der Solaranlagen weiter zunimmt. Falsch wäre eine Absenkung der Förderung, die den Ausbau der Photovoltaik blockiert und in diesem Bereich Arbeitsplätze vernichtet.
 
Sollte sich die Bundeskanzlerin stärker persönlich in die Umweltpolitik einschalten?
 
Weiger: Die Bundeskanzlerin sollte im Umweltbereich wieder eine positivere Rolle spielen. Zuletzt fiel sie vor allem durch Wegschauen und das Zulassen von Blockaden auf - so im Falle des gescheiterten Energieeffizienzgesetzes und beim Verwässern der europäischen Klimaschutzziele für die Autoindustrie und die Flugzeugbranche. Beschämend ist auch das Stocken der internationalen Klimadiplomatie. Seit Kopenhagen wartet die Welt auf einen neuen Anlauf, ein Kyoto-Anschlussabkommen zu verabschieden. Auf nationaler Ebene muss die Bundeskanzlerin stärker als in den zurückliegenden Jahren darauf hinarbeiten, dass ein Industriestaat wie Deutschland zeigt, dass Umweltschutz, Ressourcenschonung und die Schaffung von Arbeitsplätzen zusammengehören.
 
 
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