Seite bewerten:
100%
0%

Marburg will sich Solaranlagen-Pflicht nicht verbieten lassen


In Hessen auf erneuerbare Energien zu setzen, ist gar nicht so einfach. Seit dem Sommer 2008 kämpft die Stadt Marburg für eine Satzung, die ihre Bürger zum Einbau thermischer Solaranlagen beim Hausbau verpflichtet. Im juristischen Ringen zwischen der mittelhessischen Kommune und dem übergeordneten Regierungspräsidium Gießen hatte das Verwaltungsgericht Gießen einen Vergleich angeregt, der nun am Veto der Landesregierung scheiterte.
"Wir gehen auch bis zum Verwaltungsgerichtshof in Kassel", kündigt Marburgs Bürgermeister Franz Kahle (Grüne, siehe Foto) an. Laut dem Beschluss müssen sich die Marburger Bürger thermische Solaranlagen anschaffen, sobald sie ein neues Haus bauen, die Heizungsanlage austauschen, ein Gebäude erweitern oder das Dach sanieren. Das Regierungspräsidium kippte die Satzung, da sie in bestimmten Passagen nicht mit dem Gesetz vereinbar sei und nicht der Verhältnismäßigkeit der Mittel entspreche.
 
Auf Anraten des Verwaltungsgerichts Gießen arbeiteten die Stadt Marburg und die Behörde in Gießen einen Vergleichsvorschlag aus, in dem insbesondere die Ausgestaltung der Ersatzmaßnahmen konkretisiert wurde. Doch das Wirtschaftsministerium lehnte den Vergleich ab. "Wir wollen keiner Satzung zustimmen, die in einigen Monaten durch eine neue Rechtslage überholt wäre", sagt Ministeriumssprecher Wolfgang Harms. Denn die Hessische Bauordnung laufe zum Jahresende aus. Die Landesregierung plane die Abschaffung des Paragrafs 81, Absatz 2, in dem die Kommunen unter anderem eine bestimmte Heizungsart vorschreiben können.
 
BUND-Experte Hans Ackermann, der an der Entstehung der Marburger Solarsatzung selbst mitgewirkt hat, sieht in der Reaktion des Wirtschaftsministeriums ein "rein politisches Reingrätschen". Einerseits werde eine Dezentralisierung und eine Eigenverantwortlichkeit der Kommunen angestrebt, andererseits werde der Klimaschutz beschnitten, kritisiert Ackermann.
 
Marburgs Bürgermeister Kahle hält das Argument des Ministeriums für "fadenscheinig". Der betreffende Absatz könne gar nicht aus der Bauordnung gestrichen werden, da sich eine Reihe weiterer Satzungen hessischer Kommunen auf diesen Passus stützten. Zudem kritisiert Kahle die Untätigkeit der Landesregierung auf dem Gebiet: "Hessen will das Musterland für erneuerbare Energien werden, aber aus Wiesbaden kommt ja gar nichts." Das Wirtschaftsministerium bemängelt hingegen, die Marburger Solarsatzung privilegiere eine Form der erneuerbaren Energie unzulässig. "Da sollte Wahlfreiheit herrschen", findet Sprecher Harms. Kahle kann auch dieses Argument nicht nachvollziehen: "Unsere ausgeklügelte Satzung lässt ja viele Alternativen zu." So könne der Besitzer eines verschatteten Hauses auch auf Blockheizkraft setzen, und die Stadt selbst verzichte bei Schulen auf Solaranlagen und bevorzuge Photovoltaik.
 
Nach dem Veto der Landesregierung hat auch das weisungsgebundene Regierungspräsidium Gießen eingelenkt und würde es "begrüßen, wenn die Änderung der hessischen Bauordnung abgewartet wird." Ungeachtet dessen läuft der Prozess vor dem Gießener Verwaltungsgericht weiter.
Frühestens im Mai wird dort die mündliche Verhandlung fortgesetzt.
Die Ansicht des Ministeriums habe für die Entscheidung der Gießener Richter "keine vorentscheidende Bedeutung", sagt Gerichtssprecherin Sabine Dörr. Auch zukünftige Pläne der Landesregierung spielten hierbei keine Rolle.
 
Die Stadt Marburg, die sich bundesweit zum Vorreiter für Solarenergie aufschwingen wollte, muss sich weiter in Geduld üben. Immerhin konnte der fördernde Teil der Solarsatzung erlassen werden. Die Stadt und die Stadtwerke unterstützen ihre Bürger beim Einbau von Solarthermen finanziell. Zu den 450 bereits bestehenden Anlagen seien seitdem 45 weitere hinzugekommen. "Das ist jetzt nicht bombastisch, aber immerhin liegen wir mit den zehn Prozent Zuwachs leicht über dem Bundesdurchschnitt", sagt Bürgermeister Kahle.
(ddp Oliver Teutsch)
 
Vielleicht interessiert Sie auch:

Serie (1): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (1): Wie funktioniert eigentlich...... ein Atomkraftwerk? Über Atomkraft wird viel diskutiert. In unserer neuen Serie "Wie funktioniert eigentlich...?" erklären wir die Funktion von Dingen, die im Strommarkt wichtig sind. Den Auftakt machen die Atomkraftwerke. weiter

Serie (2): Wie funktioniert eigentlich....

Serie (2): Wie funktioniert eigentlich....... die CO2-Lagerung? Das klimaschädliche Gas soll lagerfähig gemacht und in Endlagern untergebracht werden. Schwierig jedoch ist die Umsetzung. weiter

Serie (3): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (3): Wie funktioniert eigentlich...

...die Energiesparlampe? Energiesparlampen haben technisch nichts mit herkömmlichen Glühlampen zu tun. Deren Funktion ist simpel. Energiesparlampen sind eher Verwandte der Leuchtstoffröhren.

weiter

Serie: (4): Wie funktioniert eigentlich...

Serie: (4): Wie funktioniert eigentlich...
...Solarenergie?
Sonnenenergie nutzt die Energie der Sonne und ist damit saubere Energie aus einer nicht versiegenden Quelle. Oft werden unter "Solar" die Photovoltaik und die Sonnen-kollektoren zusammengeworfen, was aber falsch ist.
weiter

Serie (5): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (5): Wie funktioniert eigentlich......eine Wämepumpe? Diese Pumpen nutzen Unterschiede in der Temperatur und wandeln sie in Wärme um. Dabei gibt es verschiedenen Formen. weiter

Serie (6): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (6): Wie funktioniert eigentlich......ein Wasserkraftwerk? Sie nutzen alle die Bewegungsenergie des Wassers, es gibt aber viel unterschiedliche Typen. weiter

Serie (7): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (7): Wie funktioniert eigentlich...... ein intelligenter Stromzähler? Und was ist an ihm intelligent? Die auch "Smart Meter" genannten Zähler sind zwar nicht wirklich schlau, geben dem Benutzer aber viele neue Stromspar-Möglichkeiten. weiter

Serie (8): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (8): Wie funktioniert eigentlich...
... eine Batterie? Und wie ein Akku?
Die Funktion von Batterie und Akku basiert zwar auf dem gleichen Prinzip, doch der Akku weiß es cleverer zu nutzen.
weiter

Serie (9): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (9): Wie funktioniert eigentlich...
... das Stromnetz? Weit über eine Million Kilometer lang ist das deutsche Stromnetz. Aber wie funktioniert das? Wir verfolgen den Weg des Stroms vom Kraftwerk zum Verbraucher.
weiter

Serie (10): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (10): Wie funktioniert eigentlich......ein Kohlekraftwerk? Seit Beginn des 18. Jahrhunderts nutzen Menschen Kohle als Energieträger. Doch wie genau? Und wie lange noch? weiter

Serie (11): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (11): Wie funktioniert eigentlich...
... ein Elektromotor?
Neuheit Elektromotor? Nein, denn bereits vor 100 Jahren beherrschte er die Straßen – bis der Ottomotor ihn vertrieb. Seit Jahren steigende Benzinpreise machen ihn jetzt wieder interessant.
weiter

Serie (12): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (12): Wie funktioniert eigentlich......eine LED? Licht emittierende Dioden produzieren Licht - haben aber sonst nichts mit Glühlampen oder Energiesparlampen zu tun. Sie nutzen vielmehr die Schwäche eines unserer Sinnesorgane: die des Auges. weiter

Serie (13): Wie funktioniert eigentlich...

Serie (13): Wie funktioniert eigentlich...... statische Aufladung? Wer kennt das nicht? Einmal kurz mit den falschen Schuhen über den Teppichboden gelaufen und an der nächsten Türklinke bekommt man eine „gewischt“. Aber warum? Im 13. Teil unserer Reihe „Wie funktioniert eigentlich...?“ gehen wir dem physikalischen Phänomen auf den Grund. weiter

Serie (14): Wie funktionierte eigentlich...

Serie (14): Wie funktionierte eigentlich...
...die Elektrifizierung?
 
Elektrifizierung, das ist die Entwicklung der Elektrizität von den Anfängen bis zum heutigen Stand der Technik. Aber wie hat das angefangen?
weiter