Gorleben wird weiter ausgebaut
In dem umstrittenen Salzstock Gorleben laufen die Vorbereitungen für neue Erkundungsarbeiten bereits auf Hochtouren: Die 74 Bergleute, die dem Erkundungsbergwerk Gorleben nach einem im Oktober 2000 verhängten Ausbaustopp verblieben sind, haben in 840 Meter Tiefe schon die Förderbänder überprüft und den "Großlochbohrwagen" mit einer neuen Steuerung versehen.
Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE) kann die Maschine nun wieder Löcher für die Sprengungen in das Salz bohren, mit denen Stollen verlängert oder neu geschaffen werden. Spätestens am 1. Oktober sollen dem Bundesamt für Strahlenschutz
(BfS) die beiden erforderlichen Genehmigungen für Wiederaufnahme der vor zehn Jahren von der rot-grünen Bundesregierung gestoppten Erkundungsarbeiten vorliegen. Das Bundesamt, das sich bei der Erkundung der DBE bedient, hatte die Genehmigungen Ende der März beim niedersächsischen Landesamt für Bergbau beantragt. Mittlerweile liegen sie im niedersächsischen Umweltministerium praktisch fertig vor. "Bevor die Genehmigung zugestellt wird, müssen noch der niedersächsischen Landtag und das Landeskabinett informiert werden", sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Mittwoch in Hannover. Die Information des Landeskabinetts ist derzeit am kommenden Dienstag geplant.
Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) will die Erkundung "möglichst in fünf bis sieben Jahren abschließen". Dabei soll eine Entscheidung, ob Gorleben tatsächlich für die Endlagerung des gesamten hochradioaktiven Mülls geeignet ist, erst nach Ende der Erkundung fallen. "Fest steht: Die Erkundung ist ergebnisoffen", betonte der FDP-Politiker.
In der Vergangenheit schritt die Erkundung des Gorlebener Salzstocks alles andere als zügig voran. Die grundlegende Genehmigung für das Erkundungsbergwerk, der "Rahmenbetriebsplan", den das Umweltministerium nun um zehn Jahre verlängern will, stammt schon aus dem Jahr 1983. Damals ging man noch von einem Abschluss der Erkundung nach neun Jahren aus. Der Rahmenbetriebsplan sieht unter Tage neun Erkundungsbereiche vor. In etwa 840 Meter Tiefe sollen in Nordost-Richtung zwei halbwegs parallele rund neun Kilometerlangen Stollen geschaffen werden. Sie sollen bis zu einen Kilometer auseinander liegen und durch zehn Querstollen verbunden werden, so dass am Ende neun Rechtecke aus Stollen - eben die neun Erkundungsbereiche - entstehen. Als die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 den Ausbaustopp für Gorleben verhängte, war aber lediglich der erste der neun Erkundungsbereiche halbwegs fertig.
Das Landesamt für Bergbau hat zudem die Genehmigung der nächsten konkreten Ausbauschritte unter Tage, den neuen "Hauptbetriebsplan", vorbereitet. Dieser sieht den Abschluss der Arbeiten im ersten Erkundungsbereich vor. Dort müssen die Bergleute noch 120 Meter Stollen mit größeren Querschnitt versehen. Zudem steht dort noch ein Teil der Bohrungen aus, die die Bergleute von den Stollen etwa 500 Meter in das Salz treiben. Mit den Bohrungen wird das umgebende Salz auf seine Zusammensetzung und auf Einschlüsse von Flüssigkeiten oder Gas untersucht. Anschließend sollen sie die ersten Stollen des Erkundungsbereich 3 auffahren, der sich nordöstlich an den Bereich 1 anschließt.
Die südwestlich davon gelegenen Bereiche mit dem Nummern zwei, vier, sechs und acht kann das BfS vorerst nicht erkunden. Dort gehört das Salz Andreas Graf Bernstorff, der die Erkundung seit Jahrzehnten ablehnt. Auch in die Richtung Nordosten wird das erkundbare Areal durch sieben Grundstücke von Kirchengemeinden begrenzt, die ebenfalls gegen die Erkundung sind. Ein Stollen des Erkundungsbereichs 3 soll regelrecht im Zickzack an einem Kirchenareal vorbeigeführt werden. Weite andere Teile des Salzstocks hat der Bund lediglich bis 2015 von den Eigentümern der darüber liegenden Grundstücke gepachtet. Die Bundesregierung hat daher nicht ohne Grund eine Änderung des Atomgesetzes angekündigt, die Enteignungen zum Zwecke der Endlagerung erlauben soll.
Gut 1,5 Milliarden Euro hat die Untersuchung und Erkundung des Gorlebener Salzstocks bereits gekostet. Das BfS stellte für den reinen Unterhalt des Bergwerks zuletzt rund 21 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt. "Dazu kommen nun in diesem Jahr sechs und im kommenden Jahr 25 Millionen Euro für den Ausbau hinzu", sagt BfS-Sprecher Florian Emrich. Vor dem Erkundungsstopp waren in dem Bergwerk und auf dem dazugehörigen Gelände über Tage zeitweise bis zu 500 Menschen beschäftigt. Der Bergwerksbetreiber DBE hat nach eigenen Angaben bereits Einstellungsgespräche mit zusätzlichen neuen Mitarbeitern geführt.
Die alte Kontroverse um die Eignung von Gorleben wird durch die Fortsetzung der Erkundung neu belebt. Die Atomkraftgegner um die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg halten den Salzstock aus geologischen Gründen für nicht geeignet für die Endlagerung. Sie verweisen darauf, dass über dem Salzstock zum Teil eiszeitliches Geröll liegt und dort eine geschlossene Gesteinsformation fehlt, dass es im Salz Einschlüsse von Gas und Lauge und potentiell Wasser führende Schichten gibt und sich weit darunter Erdgas findet. "Jeder Cent, der im Salzstock Gorleben noch versenkt wird, ist ein Cent zuviel", sagte BI-Sprecher Ehmke.
Die Entscheidung, ob Gorleben am Ende tatsächlich als Endlager wird, soll in einem mehrstufigen Verfahren fallen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat bei der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) zunächst eine Sicherheitsanalyse in Auftrag gegeben. Die GRS soll bis Ende 2012 die alle Erkenntnisse über den Salzstock und alle vorhandenen Erkundungsergebnisse zusammenfassen. Landesumweltminister Sander wünscht sich mehr Bürgerbeteiligung. "Der Bund ist in der Pflicht, die Bevölkerung über die Erkundung zu informieren und mit ihr in einen Dialog einzutreten", sagt er.
(dapd / Jürgen Voges)