Der lange Weg zum Kleinwasserkraftwerk
Die TUM-Forscher mussten dennoch einige Probleme lösen: Wie verhindern sie, dass sich unerwünschte Wirbel bilden, wenn das Wasser plötzlich nach unten strömt? Und wie schonen sie die Fische? Rutschmann und Sepp schlugen zwei Fliegen mit einer Klappe – genauer gesagt mit einer Klappe im Wehr oberhalb des Kraftwerkschachts. Diese lässt einen kleinen Teil des Wassers durchfließen und damit auch die Fische passieren. Außerdem verhindert diese Fließbewegung die Wirbelbildung, die zu Wirkungsverlusten und erhöhtem Verschleiß beim Antrieb der Turbine führen würde.
Kern des Konzepts aber ist nicht die Optimierung der Effizienz, sondern die Optimierung der Kosten: Standardisierte, vorgefertigte Module sollen die Bestellung einer „Kleinkraftwerk-Kiste“ wie aus einem Katalog ermöglichen. „Wir gehen davon aus, dass die Kosten gegenüber einem Buchtenkraftwerk um 30 bis 50 Prozent niedriger ausfallen werden“, sagt Rutschmann. Schon bei einer Fallhöhe des Wassers von nur ein bis zwei Metern kann das Schachtkraftwerk deshalb rentabel arbeiten, während ein Buchtenkraftwerk mindestens die doppelte Höhe benötigt. Ein weiterer Vorteil der Serienproduktion: Je nach Bedarf und Finanzkraft können bei einem breiteren Gewässer mehrere Schächte nebeneinander gegraben werden – auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
Damit können Investoren Standorte in den Blick nehmen, die bislang für die Nutzung der Wasserkraft kaum interessant waren. Besondere Aktualität bekommt diese Möglichkeit durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Diese verlangt, auch kleinere Flüsse für Fische durchgängig zu machen. Allein in Bayern gibt es mehrere Tausend Querbauwerke, wie etwa Wehre, die deshalb umgerüstet werden müssen, etliche erfüllen gleichzeitig die Voraussetzung für ein Schachtkraftwerk. Der Bau Tausender Fischrampen würde die EU-Staaten Milliarden kosten und das Klima mit Tonnen von Kohlendioxid belasten. Würden stattdessen Schachtkraftwerke mit Fisch-Klappe und einem zusätzlichen Fischaufstieg installiert werden, übernähmen die jeweiligen Investoren die Kosten und produzierten langfristig klimafreundlichen Strom, der für eine kleine Gemeinde ausreicht – ein Wasserkraftwerk im Flüsschen nebenan.
Auch in Entwicklungsländern könnte das Schachtkraftwerk eine bedeutende Rolle übernehmen. „Große Teile der Weltbevölkerung haben überhaupt keinen Zugang zu Energie“, klagt Rutschmann. „Ihre einzige Chance ist eine dezentrale Stromversorgung mit kostengünstigen, einfachen zu bedienenden Kraftwerken, die nicht oft gewartet werden müssen.“
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