Es gab über 100 kerntechnische Anlagen in Deutschland

In Deutschland sind nach dem Zweiten Weltkrieg rund 110 kerntechnische Anlagen errichtet worden. Die meisten davon waren Forschungs- oder Schulungsreaktoren. Rund 70 Prozent sind stillgelegt oder abgebaut. Manche Areale früherer Kernkraftwerke haben inzwischen den Status "grüne Wiese" erreicht, bei anderen dauert es noch Jahrzehnte bis zur vollständigen Beseitigung.

Der erste Reaktor, der in Deutschland überhaupt gebaut wurde, nahm 1957 den Betrieb auf: der Forschungsreaktor München 1 in Garching, das "Atom-Ei". Seine Betriebszeit endete 2000. Der zweite war ebenfalls 1957 der Forschungsreaktor in Rossendorf, einem Ortsteil Dresdens. Er wurde 1991 stillgelegt, weil er die Sicherheitsbestimmungen der Bundesrepublik nicht erfüllte. Es dauerte bis 1998, bis die Brennelemente ins Zwischenlager Ahaus transportiert wurden. Als letzter erhielt 2004 der Ausbildungskernreaktor Dresden 2 eine Genehmigung.

Die Größe der Anlagen variiert beträchtlich. Der Siemens Unterrichtsreaktor 100 (SUR-100) beispielsweise erzeugt eine thermische Leistung von 0,1 Watt und passt samt Steuerungsanlagen in einen größeren Seminarraum. Einige dieser Anlagen sind an deutschen Universitäten noch in Betrieb.

Am anderen Ende der Leistungsskala steht das AKW Brokdorf mit 1.400 Megawatt Bruttoleistung. Es sollte den Planungen zufolge vom "Schnellen Brüter" in Kalkar am Niederrhein übertroffen werden, der aber nie in Betrieb ging. Das Projekt wurde 1991 endgültig beendet, ohne dass ein Brennelement in die Anlage kam. Der Bau verschlang umgerechnet rund 3,6 Milliarden Euro. Heute sind die verbliebenen Gebäude Mittelpunkt eines Freizeitparks.

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Ebenfalls in Nordrhein-Westfalen steht eine andere Nuklear-Ruine, der 1989 nach zahlreichen Zwischenfällen und Unregelmäßigkeiten stillgelegte Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop. Er erlangte im Mai 1986 traurige Berühmtheit, weil die Betreibergesellschaft einen Monat nach dem Super-GAU von Tschernobyl radioaktive Abluft weit über die genehmigten Mengen hinaus in die Atmosphäre abgelassen hatte, ohne zunächst einen Störfall zu melden. Anlass dafür war eine Störung im Befüllungssystem der Kugelhaufen-Anlage.

Der Reaktor wurde zwischen 1989 und 1993 stillgelegt, die Brennelemente in 305 Castor-Behältern ins Zwischenlager Ahaus gebracht. Der weithin sichtbare Kühlturm wurde gesprengt. Der Rest befindet sich im Zustand "sicherer Einschluss". Das bedeutet, die Kernbrennstoffe sind entfernt, aber Hunderte von Tonnen radioaktiven Materials aus der Betriebszeit sind vor Ort hermetisch gegen die Außenwelt versiegelt. Der weitere Rückbau ist auf eine Zeit verschoben, zu der die Aktivität soweit abgeklungen ist, dass risikoarm weiter gearbeitet werden kann. Wann das soweit ist - nach wissenschaftlichen Angaben etwa 30 Jahre nach Betriebsgenehmigung des "sicheren Einschlusses" 1997 -, wird 2017 entschieden.

Störungsfreier Betrieb der schwimmenden Anlage

Eine schwimmende kerntechnische Anlage war das Atomschiff "Otto Hahn", ein knapp 17.000 BRT großes Forschungsschiff, das auch als Frachter genutzt werden konnte. Es wurde von einem eingebauten Druckwasserreaktor angetrieben. Gebaut zwischen 1963 und 1968, wurde ihm wegen des Atomantriebs bis zur Stilllegung des Reaktors 1979 in vielen Häfen die Einfahrt verweigert, ebenso wie die Durchfahrt durch Panama- oder Suezkanal. 131 Fahrten in 22 Länder über insgesamt 650.000 Seemeilen störungsfreien Betriebs absolvierte die "Otto Hahn", aber der Nachweis der Wirtschaftlichkeit wurde nicht erbracht. Nach dem Ausbau wurden die Brennelemente in Frankreich zwischengelagert und erst im vergangenen Dezember ins Zwischenlager Lubmin transportiert. Als dieselbetriebenes Frachtschiff fuhr es bis 2009 unter verschiedenen Namen, Reedern und Flaggen, bevor es nach Bangladesch zum Abwracken kam.

17 Kernkraftwerke waren vor dem Moratoriumsbeschluss der Bundesregierung am Montag noch in Betrieb. Dazu kommen acht kleine Schulungsreaktoren sowie vier Forschungsreaktoren, darunter der 2004 neu in Betrieb genommene Reaktor München II in unmittelbarer Nähe des "Atom-Eis".

(Thomas Rietig / dapd)

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