Vor 20 Jahren kam das Aus für AKW in Kalkar, den "Schnellen Brüter"
Es war eine äußerst undankbare Aufgabe für Heinz Riesenhuber (CDU). Mit dem kurzen Satz "Der Schnelle Brüter in Kalkar wird nicht in Betrieb genommen" verwandelte vor 20 Jahren der damalige Bundes-forschungsminister ein milliardenschweres Großprojekt der Atomindustrie in eine der teuersten deutschen Investitionsruinen. Am 21. März 1991 zog die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung notgedrungen den Schlussstrich unter eines der umstrittensten Kernenergieprojekte der Bundesrepublik.
Der "Schnelle Brüter" im niederrheinischen Kalkar sollte als Vertreter einer neuen Reaktorgeneration nach dem Willen seiner Befürworter die Atomenergie zu neuen Weihen führen. Doch der Widerstand der Gegner war immens: Immer wieder warnten sie seit Baubeginn des Reaktors 1973 vor unkalkulierbaren Gefahren, demonstrierten zu Zehntausenden vor Ort und erwirkten vor dem Bundesverfassungsgericht sogar einen mehrjährigen Baustopp.
3,5 Milliarden Euro in den Sand gesetzt
Rund 3,5 Milliarden Euro hatte der Meiler verschlungen, als ihn das Aus ereilte. Zwar war der Reaktor da schon seit 1985 prinzipiell betriebsbereit. Doch die SPD-geführte Landesregierung hatte die Betriebsgenehmigung nie erteilt, die Brennelemente durften daraufhin nicht in den Meiler gebracht werden.
Zu groß erschienen dem Landeskabinett unter SPD-Ministerpräsident Johannes Rau die Risiken des Projekts. Das "Höllenfeuer von Kalkar" dürfe nicht entfacht werden, wetterte der damas für die Atomenergie zuständige Arbeitsminister Friedhelm Farthmann.
Zudem war nach der teilweisen Kernschmelze im Atommeiler von Harrisburg 1979 in den USA und dem bislang größten Atomunglück, der Reaktorexplosion von Tschernobyl 1986 mit der radioaktiven Verseuchung weiter Landstriche, das Image der Atomenergie auf dem Tiefstand angelangt. Ein neues, noch dazu in der Praxis unerprobtes "Höllenfeuer"galt als nicht mehr durchsetzbar.
Angst vor Explosion des Meilers
Der "Schnelle Brüter" sollte als eine Art nukleares Perpetuum Mobile mehr Brennstoff erzeugen, als er selbst verbraucht. Möglich macht das der Einsatz der Uransorte 238 statt Uran 235, mit dem herkömmliche Leichtwasserreaktoren betrieben werden. Uran 235 ist nur in einem Prozent des Natururans enthalten - die Vorräte mithin begrenzt. Der Brutreaktor kann dagegen aus dem viel häufiger vorkommenden Uran 238 das Element Plutonium als neues Spaltmaterial "erbrüten" und sollte so Deutschland langfristig unabhängig von Uranimporten machen. Die Eigenschaft "schnell" erhielt der Brüter deshalb, weil er bei der Kernspaltung mit schnellen Neutronen arbeitet statt mit langsamen, wie sie bei Leichtwassereaktoren zum Einsatz kommen.
"Schneller Brüter" nur noch in Japan Thema
Die Skeptiker wandten ein, dass das als Kühlmittel eingesetzte flüssige Natrium bei Kontakt mit Wasser explodieren und der Reaktor schlimmstenfalls wie eine Bombe hochgehen könnte. Und schon Ende der 1970er Jahre führte der spätere saarländische Umweltminister Jo Leinen (SPD) auch moralische Bedenken ins Feld: Die Brütertechnologie müsse aus Kostengründen irgendwann exportiert werden, doch könnten so ungewollt viele Länder Zugang zum atombomben-tauglichen Plutonium bekommen.
Heute forscht nur noch Japan aktiv an der Brütertechnologie, nachdem entsprechende Projekte auch in den USA und Frankreich aufgegeben worden waren. Die rohstoffarme Inselnation hofft, mit dem Reaktortyp ihre Abhängigkeit von Energieimporten zu mindern.
In Kalkar dagegen ist von all der Diskussion um den Brüter aus früheren Tagen nichts mehr zu spüren. Im Jahr 1995 kaufte ein niederländischer Investor das Kraftwerksgelände und errichtete dort einen gut besuchten Freizeitpark mit Namen "Wunderland Kalkar".
Für skeptische Besucher hat die Internetseite des Betreibers eine Beruhigung parat, die in diesen Tagen wahrscheinlich umso wichtiger
ist: "Das Kernkraftwerk hat nie gearbeitet und ist daher garantiert frei von Strahlung."
(Frank Bretschneider / dapd, 17.03.2011)