Stichwort "Restrisiko - was es bedeutet

In der Debatte über die Sicherheit der Kernenergie sprechen Politiker nach dem Reaktorunglück von Fukushima von einer Neubewertung des sogenannten Restrisikos. So ist dieses Risiko für Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) "von einer statistischen Minimalgröße zu schrecklicher Wirklichkeit" geworden. Eine Aufgabe der geplanten Sicherheitsüberprüfung deutscher Atomkraftwerke soll auch darin bestehen, das Risiko eines nicht mehr beherrschbaren Reaktorunfalls neu einzuschätzen und anschließend zu minimieren - falls dies technisch möglich und bezahlbar ist.

In der Technik wird das Risiko eines Unfalls als das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß definiert. Das Besondere an der Kernenergie liegt darin, dass das Schadensausmaß bei einer Katastrophe wie beispielsweise in Tschernobyl gegen unendlich geht, so dass selbst bei einer sehr niedrigen Eintrittswahrscheinlichkeit das Resultat beider Faktoren, das Risiko, nicht zu vernachlässigen ist.

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Diese Gefahr bezeichnete das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil von 1978 zum sogenannten Schnellen Brüter von Kalkar als "Restrisiko". Dieses Risiko müsse von den Behörden in Betracht gezogen werden, da das Atomgesetz die Genehmigungen von Anlagen auch dann zulasse, "wenn die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadens nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist". Ungewissheiten jenseits der Schwelle von praktischer Vernunft seien "unentrinnbar und insofern als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen".

Laut Atomgesetz darf die Genehmigung für einen Meiler dann erteilt werden, "wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist".

Um zu einer neuen Bewertung des Kernkraft-Risikos zu kommen, müsste die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unfalls mit Kernschmelze anders eingeschätzt werden. Diese liegt derzeit bei Reaktoren vom Typ Biblis B (siehe Foto) bei einem Unfall in 33.000 Betriebsjahren - wobei dieser Unfall auch schon im kommenden Monat eintreten kann.

Bei der Überprüfung der 17 deutschen Atommeiler sollen die Experten daher herausfinden, ob die Wahrscheinlichkeit komplexer Störfälle wie in Japan richtig eingeschätzt wurde und die Anlagen über Sicherungssysteme verfügen, um Kernschmelzen in solchen Fällen zu verhindern. Da die Wahrscheinlichkeit sehr starker Erdbeben in Verbindung mit einem Tsunami für Deutschland zuletzt nicht gestiegen ist, hat die Regierung auf die Gefährdung durch Flugzeugabstürze hingewiesen, die Reaktoren bedrohen könnten. Auch soll ein stärkeres Augenmerk auf die Zuverlässigkeit von Notsystemen gelegt werden, die eine Kühlung der Anlagen unter widrigsten Umständen sicherstellen sollen.

Für Atomkraftgegner hat sich die Einschätzung des "Restrisikos" nach Japan jedoch kaum geändert. Anders als beispielsweise Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hielten sie die Gefahr eines schweren Unfalls nie für "unmöglich". Dass der Begriff Restrisiko nun aus dem politischen Vokabular gestrichen wird, wie der baden-württembergische Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann es forderte, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.

(Friedhelm Greis / dapd)

 

 

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