Das deutsche Stromnetz ist 1,7 Millionen Kilometer lang
Deutschland ist auch ein Wald von Strommasten: Rund 1,7 Millionen Kilometer Leitungen ziehen sich kreuz und quer durchs Land. Zur Übertragung werden 550.000 Transformatoren benötigt. Bisher gilt das Stromnetz als extrem zuverlässig. Im ganzen Jahr 2007 war die Versorgung je Kunde durchschnittlich nur für 17 Minuten unterbrochen - der beste Wert in Europa. In Großbritannien waren es 61 Minuten, in Portugal 149 Minuten, in Polen sogar 300 Minuten aufs Jahr gerechnet.
Im Stromnetz ist Leitung nicht gleich Leitung. Der Energieverband BDEW zieht einen Vergleich zum Straßennetz: Es gibt Autobahnen, Bundes-, Landes- und Ortsstraßen. Überregional verteilt wird die Elektrizität über sogenannte Höchstspannungsnetze mit 220 bis 380 Kilovolt. Das regionale Hochspannungsnetz arbeitet mit 36 bis 110 Kilovolt, das Mittelspannungsnetz mit sechs bis 36 Kilovolt. Daneben gibt es lokale Verteilnetze mit Niederspannung von 0,4 Kilovolt.
Wenn jetzt im Zusammenhang mit der Energiewende vom nötigen Netzausbau gesprochen wird, geht es meist um Höchstspannungsleitungen - also um Energieautobahnen von Nord nach Süd. Die Deutsche Energieagentur dena hat vorgerechnet, dass bis 2020 rund 3.600 Kilometer 380-Kilovolt-Freileitungen gebaut werden müssten - und daran orientiert sich auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in seinen Plänen für einen raschen Netzausbau. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), spricht von einer Nationalen Aufgabe.
Denn die Kosten veranschlagt die dena beim Bau von Freileitungen auf 9,7 Milliarden Euro. Würden die Kabel dabei in der Erde verlegt, kämen laut dena zwar nur 3.400 Kilometer zusammen, dafür aber Kosten von bis zu 29 Milliarden Euro.
Speicher oder Verbundkraftwerke
Andere Experten halten die Schätzung für übertrieben. So sagt der Greenpeace-Energiefachmann Sven Teske, der Neubau von rund 1.000 Kilometern wäre ausreichend. Andere Schätzungen sprechen sogar nur von 250 Kilometern zusätzlichen Netzbedarfs.
Die verblüffend unterschiedlichen Ergebnisse hängen vor allem mit dem Ausgangspunkt der Berechnungen ab. Entscheidend ist zum Beispiel, ob man einen Großteil des Stroms in riesigen Windparks auf hoher See erzeugen und über Höchstspannungsleitungen nach Süden transportieren möchte oder ob übers Land verteilte kleine Kraftwerke eine wichtigere Rolle spielen soll. Letzteres würde den Bedarf an Verteilnetzen reduzieren - könnte aber andererseits noch mehr Widerstand vor Ort gegen große Windräder oder Biogasanlagen bedeuten.
Ein wichtiger Punkt ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien die sogenannte Netzstabilität. Da sich Strom noch nicht in großem Maßstab speichern lässt, müssen Erzeugung und Verbrauch ständig austariert werden. Dazu gibt es ein abgestuftes System von Grundlast-, Mittellast- und Spitzenlastkraftwerken.
Grundlast bedeutet dabei Dauerproduktion rund um die Uhr. Das Gegenteil gilt für regenerative Energien wie Wind und Sonne: Sie liefern nur, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Produktion und Bedarf haben bei diesen Quellen also nichts miteinander zu tun. Deshalb sind Mechanismen nötig, die Schwankungen auszugleichen. Speicher sind eine Option, Verbünde diverser aufeinander abgestimmter Erzeugerquellen eine andere.
(Verena Schmitt-Roschman / dapd)