Reportage: Pumpspeicherwerke sollen ein Eckpfeiler der Energiewende werden



Felsbrocken, Baumstümpfe und Ufersträucher werden allmählich vom Wasser bedeckt, Bootsanleger, Pontons und Bojen werden angehoben. In sechseinhalb Stunden steigt der Spiegel des Stausees an der Talsperre Wendefurth im Harz um vier Meter. Wenn in Windparks Flaute herrscht oder sich Schatten über Photovoltaikanlagen legen, lässt das Pumpspeicherwerk Wendefurth 1,8 Milliarden Liter Wasser aus einem höher gelegenen Speichersee durch seine Turbinen laufen, um den Strommangel im Netz auszugleichen. Für die propagierte Energiewende müssten zahlreiche weitere dieser Anlagen gebaut werden.

Das Telefon klingelt. Für Schaltwärter Joachim Heinecke gilt es, jetzt keine Zeit zu verlieren. Das Kraftwerk Wendefurth kann innerhalb weniger Minuten 80 Megawatt (MW) Energie in das deutsche Stromverbundnetz abgeben. Heinecke dreht einen Schalter auf «beide Turbinen an» und drückt einen Startknopf.

Mindestens 8.500 MW zusätzliche Speicherleistung nötig

Das 1967 in Betrieb genommene Pumpspeicherwerk Wendefurth gehört mit seinen 80 MW Nennleistung zu den kleineren Speicherwerken in Deutschland. Größere Pumpspeicherwerke wie das ebenfalls von Vattenfall betriebene Werk Goldisthal in Thüringen leisten mehr als 1.000 MW.

Mit der geplanten Energiewende werden bis 2020 laut Deutscher Energie-Agentur (dena) 8.500 bis 10.500 MW zusätzliche Speicherleistung für das deutsche Stromverbundnetz benötigt. Aktuell sind nur zwei neue Pumpspeicherwerke mit zusammen 2.400 MW Speicherleistung in Planung. Dabei sind sich Experten darüber einig, dass Pumpspeicherwerke die derzeit einfachste Technologie bieten, um große Mengen Energie zu speichern.

39.000 Liter Wasserdurchlauf pro Sekunde

Nachdem Heinecke den Startknopf gedrückt hat, öffnen sich im Maschinenraum sieben Stockwerke weiter unten zwei Klappen und Wasser beginnt sich durch die beiden Turbinen - jede so groß wie ein Einfamilienhaus - zu drücken. Aus einem 126 Meter höher gelegenen Speichersee strömt das Wasser durch zwei Rohrleitungen von doppelter Mannshöhe den Berg hinab in das Kraftwerk. 

Im Inneren der Turbinen setzt der Wasserdruck mehrere Schaufelräder in Bewegung. Nach 205 Sekunden fährt die Anlage auf Höchstleistung. 39.000 Liter Wasser pro Sekunde laufen jetzt durch das Kraftwerk. Die Rotation der Turbinen wird über eine Welle an zwei Generatoren weitergegeben, wo die Energie in 10,5 Kilovoltampere Stromspannung umgewandelt wird. Das Wasser strömt aus Rohren unterhalb der Wasseroberfläche in den See und hebt den Wasserspiegel an. Produzieren Wind- und Sonnenkraftanlagen wieder genügend Strom oder gar zu viel, schaltet Heinecke seine Anlage auf Pumpbetrieb und das Kraftwerk nimmt überschüssige Energie aus dem Verbundnetz auf. Das Wasser wird dann auf demselben Wege, auf dem es gekommen ist, in das Speicherbecken zurückgepumpt. Allerdings nicht ganz ohne

Energieverlust: Der Wirkungsgrad des Kraftwerks beträgt 73 Prozent.

(Johann Tischewski / dapd)

Das Pumpspeicherwerk Wendefurth in zehn Daten 

  • Inbetriebnahme: 1967/1968
  • Oberbecken: künstlich angelegt mit 1,8 Milliarden Liter Wasser
  • Unterbecken: 8,5 Milliarden Liter Gesamtstauraum
  • Höhendifferenz Ober- und Unterbecken: 126 Meter
  • Turbinenleistung: zweimal 40 Megawatt
  • Turbinendurchfluss: 39.000 Liter pro Sekunde
  • Anfahrtszeit für Turbinenbetrieb: 205 Sekunden vom Stillstand
  • Pumpenleistung: 26.000 Liter pro Sekunde
  • Anfahrtszeit für Pumpbetrieb: 450 Sekunden vom Stillstand
  • Spannung des Generators: 10,5 Kilovoltampere

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