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Die überkommene Struktur des Gasmarktes - gegliedert in Groß-, Zwischen- und Einzelhändler - ist einer der Gründe für die hohen Endverbraucherpreise. Langfristige Abnahmeverträge sichern den Ferngasunternehmen garantierte Absatzmengen und Verkaufserlöse. "Take or Pay" nennt man die in der Branche üblichen Vertragsklauseln, mit denen sich die Regionalverteiler verpflichten, eine Mindestmenge – zum Beispiel 80 Prozent des bestellten Gases – zu beziehen und zu bezahlen, egal ob sie es tatsächlich an ihre Kunden loswerden oder nicht. Die positive Seite dieser Verträge: Sie geben allen Seiten Planungssicherheit und stellen sicher, dass sich einerseits Betrieb und Neubau von Gasförderstätten und Pipelines auch lohnen und andererseits die Abnehmer von Lieferengpässen verschont bleiben. Die negative Seite: Die Abnehmer fragen kaum zusätzliches Gas nach, außer relativ geringen Mengen zu Spitzenverbrauchszeiten, wenn sie Gas am Spotmarkt der Leipziger Energiebörse kaufen. Ein wirklicher Gasmarkt entsteht so nicht.
Solche Langzeitverträge werden inzwischen vom Bundeskartellamt untersagt. 2006 mussten die großen Ferngasunternehmen ihre langfristigen Lieferverträge öffnen, nachdem das Bundeskartellamt Verfahren gegen sie eingeleitet und ihnen mit Untersagungsverfügungen gedroht hatte. Auch mit der Überprüfung der Gaspreise hat die Behörde inzwischen begonnen. So hat sie die Ergebnisse einer Endverbraucher-Preisliste im Internet veröffentlicht, an der die Kunden sehen können, ob sie vergleichsweise viel oder wenig für ihr Gas bezahlen. Langfristig ist das Ziel der Wettbewerbspolitik, dass die Preise sinken und der Gasmarkt transparenter wird.
Eine weitere Besonderheit des Gashandels ist eine internationale Branchenvereinbarung: die Ölpreisbindung. Sie sieht vor, den Gaspreis nicht fest zu vereinbaren, sondern ihn an die Entwicklung des Ölpreises zu koppeln. Der Gaspreis folgt der Ölpreisentwicklung im Abstand von einigen Monaten und wird immer etwas niedriger angesetzt als dieser. Das Prinzip der Ölpreisbindung wurde ursprünglich zur Förderung des neuen Energieträgers gedacht. Zu der Zeit, als Erdgas in großem Stil in die Energieversorgung Europas eingeführt wurde, sah man den Wettbewerb weniger zwischen unterschiedlichen privaten Anbietern von Erdgas als zwischen den Energieträgern Erdgas und Heizöl. Das Erdgas sollte sich, auch vor dem Hintergrund der ersten Ölkrise, an der Seite des dominanten Energieträgers Erdöl durchsetzen, ohne Gefahr zu laufen, aufgrund geringer Nachfrage oder zu hoher Verfügbarkeit "verramscht" zu werden. Die Ölpreisbindung ist noch in den meisten Lieferverträgen verankert. Sie ist eine privatwirtschaftliche Regelung, deren genauer Mechanismus Teil der jeweiligen Lieferverträge ist und von den Vertragspartnern in der Regel geheim gehalten wird.