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Hintergrund: 10 Jahre Liberalisierung
Seit zehn Jahren können Verbraucher den Gaslieferanten wechseln. Theoretisch zumindest, denn tatsächlich dauerte es bis jetzt und benötigte eine Reihe von Umwegen und Zufällen, um den Markt in Schwung zu bringen. Wir schauen zurück ins Jahr 1998.
Der Druck zur Liberalisierung kam von außen: Das EU-Parlament beschloss vor zehn Jahren, den Markt für Energie zu öffnen. In den meisten Ländern der EU gab es genau einen Anbieter pro Region, der nach Belieben die Preise festsetzen konnte. Also machte sich der deutsche Gesetzgeber daran und beschloss 1998 die Energierechtsnovelle. Damit wurden Strom- und Gasmarkt liberalisiert, alternative Anbieter würden auf den Markt kommen.
Doch die Parlamentarier hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der war in diesem Falle der alte Versorger, denn plötzlich fiel den Alt-Monopolisten ein, dass die neuen Anbieter den Strom oder das Gas ja zum Kunden transportieren müssten. Flugs wurden von den Monopolisten Durchleitungspreise für den Strom durch ihre Netze aufgerufen, die eher an die Preisgestaltung von Apotheken erinnerten.
Wenig tat sich die nächsten beiden Jahre, ernsthafte Alternativen entwickelten sich nicht. Dann waren wieder die europäischen Institutionen am Zug. Diesmal drohte kein geringerer als der Europäische Gerichtshof mit einer Klage, falls Deutschland nicht endlich für eine echte Liberalisierung der Märkte sorgen würde.
Mittlerweile war der Wettbewerb im Strommarkt zwar langsam gestartet, aber immerhin. Und der Gasmarkt? Hier war die Sache komplizierter. Ein Geflecht aus langfristigen Verträgen, abgegrenzten Märkten und intransparenten Konzernen schien den Markt abzuschotten gegen unliebsame Konkurrenz.
Zwei Daten sind wichtig auf dem Weg zu einem freien Gasmarkt: 2003 verabschiedete das Parlament die Gasnovelle. Sie erklärte Versorgungsmonopole für unzulässig, aber sie erkannte das "natürliche Monopol" der Netze an. Dazu später mehr. Damit nicht alles bei Selbstverpflichtungen der Konzerne blieb, wurde die Bundesnetzagentur 2005 damit beauftragt, die Aufsicht über die Gasnetze zu übernehmen.
Monopole sind erstmal schlecht. "Natürliche Monopole" zu akzeptieren ist jedoch ein wichtiger Schritt: Es ist nicht logisch und viel zu teuer, für jeden Gasanbieter eigene Netze quer durch die Republik zu ziehen. Also bleibt es bei dem einen Netz des Altversorgers. Indem man dieses Monopol akzeptiert, kann man auch Regeln schaffen, die jedem einen fairen Zugang zu diesem Monopolisten-Netz garantiert. De Fakto sind deshalb 2008 die Netzbetreiber - die meist identisch mit dem Altversorger sind - verpflichtet, jedem alternativen Anbieter zu fairen Preisen die Gaslieferung durch ihr Netz zu genehmigen.
Ab 2006 kam plötzlich Schwung in den Handel, denn jetzt war auch noch das Bundeskartellamt mit im Boot. Es ermittelte wegen drastischer Preiserhöhungen gegen eine ganze Reihe von Altversorgern. Heraus kam ein Deal: Das Bundeskartellamt stellt die Ermittlungen ein, dafür können Privatkunden seit dem 1. April 2006 ihren Anbieter wechseln.
Womit keiner so schnell gerechnet hatte, traf doch noch ein: Kunden konnten zu günstigeren Anbietern wechseln. Doch faktisch war das nicht möglich: Die tatsächliche Öffnung der Netze kam zum Schluss so schnell, dass am 1. April kein einziger alternativer Anbieter auf dem Markt war ... erst heute ist zumindest in Teilen der Bundesrepublik ein Markt am Entstehen.