neue Seite
Kurz und knapp lässt sich die Botschaft es Europäischen Gerichtshofes so zusammenfassen: Entweder die Liberalisierung kommt - oder es hagelt massive Strafzahlungen. Diese Drohung muss den richtigen Ton getroffen haben, denn jetzt passierte etwas, das die Verbraucherverbände nicht mehr für möglich gehalten hätten: Es beschäftigte sich jemand ernsthaft mit dem Thema.
Zu Anfang stand eine Analyse der Frage, warum der "verhandelte Netzzugang" nicht funktioniert hatte. Schnell war klar, dass die Netze der eigentliche Knackpunkt sind. Denn Strom oder Gas zu verkaufen war die eine Sache, die Energie zum Kunden zu bringen eine ganz andere. Und die Netze waren der Hebel, mit dem man die Liberalisierung in Schwung bringen konnte. Die Altversorger öffneten früher - den Buchstaben des Gesetzes folgend - ihre Netze für alternative Anbieter. Allerdings hatten die Gesetzgeber vergessen zu regeln, wie teuer das Ganze werden sollte. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Preise für die Durchleitung des Stroms waren so hoch, dass Wettbewerb im Keim erstickt wurde.
Daraus kann man den Alt-Monopolisten gar keinen Vorwurf machen: Es ist keinem Unternehmen zuzumuten, die eigene Konkurrenz groß zu machen. Der Druck aus Brüssel führte zu einer Novellierung des EnWG. Novellierung bedeutet eigentlich eine Überarbeitung, eine Modernisierung oder Ergänzung eines Gesetzes. Um ihr jahrelanges Scheitern nicht eingestehen zu müssen, blieben die Politiker bei dem Begriff und dem alten Namen. Tatsächlich aber kassierten sie am 7.7.2005 kurzerhand das alte Gesetz ein und ersetzten es durch ein neues.
Diese zweite Novelle brachte einen grundlegenden Wandel und wesentlich mehr und ausgefeiltere Regelungen, wie denn die Liberalisierung erreicht werden sollte. Allein die Paragraphenzahl stieg von 27 auf 118 an. Verschiedene Verordnungen stellten klar, wie die Liberalisierung zu geschehen hat. Und damit das Ganze auch überwacht wird, schufen sie die Bundesnetzagentur. Die größte und erfolgreichste Änderung betraf aber die Verabschiedung vom "verhandelten Netzzugang". Er wurde komplett gekippt.
An seine Stelle trat der "regulierte Netzzugang". Und dieser wurde ein voller Erfolg, auch wenn er eigentlich etwas Absurdes vornahm: Er akzeptierte die Monopolstellung der Netzeigentümer. Die Netze gehören den Altversorgern, und das hatte die Liberalisierung abgewügt. Aber es ist weder ökonomisch noch irgendwie sonst sinnvoll, wenn jeder neue Versorger sein eigenes Netz bauen müsste. Also wird das Monopol akzeptiert. Indem man das tut, kann man es jedoch Regeln unterwerfen.
Und das war der Trick, mit dem man den Wettbewerb in Fahrt brachte. Seitdem müssen sich Netzbetreiber ihre Preise bei der Bundesnetzagentur genehmigen lassen. Und siehe da: Es funktioniert, der Strommarkt ist ein Markt, und der Gasmarkt wird gerade einer.