An die 900 Biogasanlagen wandeln derzeit in Niedersachsen Gülle, Mist und pflanzliche Stoffe in Strom und Wärme um. Bei dieser als umweltfreundlich geltenden Form der Energiegewinnung ist das Land bundesweit Vorreiter. „Grundsätzlich ist Biogas unter den erneuerbaren Energien der Alleskönner", sagt Mathias Kirchhoff, Leiter der im emsländischen Freren ansässigen Lehranstalt für Landwirtschaft, Technik und Umwelt. Bei Umweltschützern stößt allerdings besonders der verstärkte Anbau von Mais als Energiepflanze auf Kritik.
„Die aus biologischen Ausgangsstoffen erzeugten Sekundärenergieträger können vom Biogas angefangen über elektrische Energie und Wärme bis hin zum Erdgas und Treibstoff alles abdecken", sagt Kirchhoff. Anders als Wind- und Sonnenenergieanlagen unterlägen Biogasanlagen keinen witterungsbedingten Schwankungen und seien somit grundlastgeeignet. Das Gas könne wegen seiner guten Speicherfähigkeit aber auch die sogenannte Spitzenlast, also Zeiten besonders hohen Energieverbrauchs, abdecken.
Biogas entsteht, wenn organische Materialien unter Luftabschluss vergoren werden. Dabei werden in einem sogenannten Fermenter, einem Faulbehälter, der das Kernstück einer Biogasanlage darstellt, Energiepflanzen, Wirtschaftsdünger und organische Reststoffe durch Mikroorganismen zu einem methanhaltigen Gas umgewandelt. Derzeit wird Biogas weitgehend in Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme umgewandelt. Der Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet.
Der „Betriebsstoff" zur umweltfreundlichen Energiegewinnung ist nicht nur billig, sondern speziell in landwirtschaftlich genutzten Gebieten praktisch überall verfügbar, wie Kirchhoff erläutert: „Die Haupt-Rohstoffgruppen sind Energiepflanzen wie beispielsweise Mais oder Ganzpflanzensilage." Daneben eigneten sich Gülle und Mist aus der Viehhaltung, Bio-Gartenabfälle oder sogar Abfälle aus der Schlachtung oder Speiseabfälle für die Energiegewinnung. Die beiden letztgenannten Gruppen unterlägen allerdings besonderen gesetzlichen Bestimmungen aus dem Abfallrecht und speziellen Hygienevorschriften.
Die Energiegewinnung aus Bioabfällen sei nicht nur aus energetischer Sicht für den landwirtschaftlichen Raum ein Gewinn: „Landwirte haben die Möglichkeit, ihre Wertschöpfungstiefe zu erhöhen. Das regionale Handwerk profitiert von den Investitionen, denn auch bei den Anlagenbauern handelt es sich um mittelständische Betriebe." Dieser positive Struktureffekt stehe im krassen Gegensatz zu den Anlagen für fossile oder nukleare Energieträger, betont Kirchhoff. Aus diesem Grund wiesen Biogasanlagen eines der besten Kosten-Nutzen-Verhältnisse auf.
Gleichwohl sehen Umweltschützer die Entwicklung skeptisch: „Grundsätzlich sind wir durchaus für die Bio-Energiegewinnung", sagt Uwe Baumert, stellvertretender Vorsitzender der NABU-Landesgruppe Niedersachsen. Er warnt allerdings vor einer „Vermaisung" der Landschaft. Der Maisanbau zur Futtergewinnung und für Biogasanlagen nehme dramatisch zu. Mehr als 50 Prozent der Ackerfläche für den Maisanbau zu verwenden, sei einfach zu viel, sagt Baumert. Er fordert daher, speziell in Niedersachsen beim Bau weiterer Biogasanlagen „die Reißleine zu ziehen".
In der Bundesrepublik gab es 2008 rund 4.100 Biogasanlagen mit einer elektrischen Leistung von rund 1.400 Megawatt. Nach wie vor haben die Bundesländer Bayern (36 Prozent), Niedersachsen (17) und Baden Württemberg (14) den größten Biogasanlagenbestand. Niedersachsen besetzt jedoch die Spitzenposition mit einem Anteil von 26 Prozent an der in Deutschland installierten elektrischen Leistung.
Marie-Luise Rottmann-Meyer, Leiterin des 3N-Kompetenzzentrum Nachwachsende Rohstoffe in Werlte, sieht das Potenzial für Biogasanlagen in Niedersachsen noch nicht ausgeschöpft. Angestrebt würden 1.000 bis 1.500 Anlagen. Darüber hinaus allerdings sei ein Betrieb von weiteren Biogasanlagen aus Kostengründen nicht mehr realisierbar, weil dann der Markt übersättigt wäre.
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