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Atomkraft in Europa: Zukunft oder Ausstieg
Die EU-Kommission in Brüssel befürwortet in einem (vorläufigen) Strategiepapier die Förderung der Atomtechnologie. Dies trifft insbesondere in Deutschland auf starken Widerstand. Wirtschaftsminister Gabriel lehnt EU-Fördergelder für Atomkraft ab. Doch viele EU-Länder wollen auch in Zukunft auf Atomkraft setzen und befürworten Fördergelder.
Deutschlands radikale Abkehr von der Atomkraft ist in Europa die Ausnahme. Die meisten Länder, die Atomkraftwerke betreiben, setzen auch in Zukunft auf die umstrittene Technologie.
Seit 1954 in Russland das erste europäische Atomkraftwerk ans Netz ging, wurden in Europa knapp 300 Reaktorblöcke in Betrieb genommen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden davon ca. 100 Blöcke stillgelegt, so dass derzeit 185 Reaktorblöcke am Netz sind. In sechs Ländern werden derzeit 16 Reaktorblöcke gebaut, die in den nächsten Jahren ans Netz gehen werden.
übersicht der Atomreaktoren in Europa
Stromtipp gibt einen überblick für Europa. In der nachfolgenden Tabelle sind europäische Länder gelistet, die Atomkraftwerke beheimaten. Aufgeführt sind die Gesamtzahl aller Reaktoren sowie die Anzahl der noch in Betrieb befindlichen Atomreaktoren. Die Anzahl der noch in Betrieb befindlichen Reaktoren variiert, da einige Reaktoren nur zeitlich befristet abgeschaltet wurden. Zudem haben wir für jedes dieser Länder einen Hinweis ergänzt, ob diese Staaten zukünftig weiterhin auf Kernenergie setzen (=Zukunft) oder den Ausstieg planen (mit Jahresangabe geplanter Stilllegung) bzw. de facto vollziehen werden (=Ausstieg).
Land | Reaktoren gesamt | davon in Betrieb | Zukunft oder Ausstieg |
Belgien | 8 | 7 | Tendenz Ausstieg 2025 |
Bulgarien | 6 | 2 | Tendenz Ausstieg 2023 |
Deutschland | 36 | 8 | Ausstieg 2022 |
Finnland | 4 | 4 | Zukunft |
Frankreich | 70 | 58 | Zukunft |
Großbritannien | 45 | 16 | Zukunft |
Italien | 4 | 0 | unklar |
Litauen | 2 | 0 | Ausstieg |
Niederlande | 2 | 1 | unklar |
Rumänien | 2 | 2 | Zukunft |
Russland | 37 | 31 | Zukunft |
Schweden | 13 | 9 | Tendenz Ausstieg |
Schweiz | 6 | 5 | unklar |
Slowakei | 9 | 4 | Zukunft |
Slowenien | 1 | 1 | Zukunft |
Spanien | 10 | 7 | unklar |
Tschechien | 6 | 6 | Zukunft |
Türkei | 1 (in Bau) | 0 | Zukunft |
Ukraine | 19 | 15 | Zukunft |
Ungarn | 4 | 4 | Zukunft |
Weißrussland | 2 (in Bau) | 0 | Zukunft |
Polen, das bisher keine Atomkraftwerke betreibt, plant für die nächsten Jahre den Einstieg. Unklar ist die Situation in Italien, wo nach der Tschernobyl-Katastrophe der Ausstieg beschlossen wurde, es aber immer wieder politische Tendenzen zum Wiedereinstieg gibt. Obwohl sich die Bevölkerung zuletzt 2011 gegen neue AKW ausgesprochen hat.
In einigen Ländern befinden sich Reaktoren in der Bauphase, die teilweise unterbrochen wurde. Ein Atomausstieg ist dafür jedoch selten der Grund. Vielmehr lohnt ein Weiterbau bzw. die Inbetriebnahme zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund des derzeitigen überangebotes an Strom, verbunden mit niedrigen Preisen, nicht.
Im Gegensatz zu der Mehrheit der Deutschen schätzen viele europäische Staaten den positiven Nutzen höher als die potentiellen Kosten und Risiken ein. Argumente für die Kernenergie sind ein quasi nicht vorhandener CO2-Ausstoß sowie die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Für viele Politiker mögen aber auch die hohen Kosten eines Atomausstiegs (Rückbau und Endlagerung) Grund für ein Festhalten an der Atomenergie sein. Zumindest lassen sich diese Kosten damit weit in die Zukunft verschieben.
Für die Befürworter der Kernenergie ist es konsequent, Fördergelder aus Brüssel zu fordern. Werden die Risiken ausgeblendet bzw. als beherrschbar angesehen, handelt es sich letztlich um Technologieförderung wie sie für viele Bereiche gewährt wird.