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Teurer und später – was läuft schief bei der Energiewende?
Die Energiewende kommt später und wird deutlich teurer als ursprünglich geplant. Darin sind sich viele Experten einig. Wie bei vielen Großprojekten liegen die Ursachen dafür in einer fehlenden Gesamtplanung und nachträglichen „Sonderwünschen“.
Kennen Sie Loriots Sketch mit dem „schiefen Bild“? Loriot sitzt im Wartezimmer und stört sich daran, dass ein Bild schief an der Wand hängt. Bei dem Versuch dieses wieder gerade zu richten, verwüstet er in einer Kettenreaktion das gesamte Wartezimmer. Am Ende hängt das Bild gerade, alles andere liegt mehr oder weniger in Trümmern.
Horst Seehofer, Ministerpräsident Bayerns, ist der Loriot der Energiewende.
Bayern benötigt, wenn in wenigen Jahren die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, Strom aus Norddeutschland und die dazu notwendigen Stromleitungen gen Süden. Seehofer stört sich an überirdischen Stromtrassen, die das Landschaftsbild stören. Also lässt er graben und die Stromkabel unterirdisch verlegen. Das wird erstens teurer und dauert zweitens deutlich länger als überirdisch zu bauen.
Bayerns Landschaft ist bekanntermaßen durch einige Erhebung geprägt. Im Vergleich zum norddeutschen Tiefland, in das man Stromkabel quasi ohne zu graben versenken könnte, führt die Stromtrasse gen Bayern durch steiniges Gebirge. Eine unterirdische Verkabelung führt hier teilweise zu einer Kostensteigerung um das 10-fache. Da kommt bereits die nächste Strompreiserhöhung um die Ecke.
Stromtrassen nicht vor 2025 fertig
Der zeitliche Verzug beim Trassenbau, Experten rechnen mit einer Fertigstellung nicht vor 2025, führt bereits heute dazu, dass der für den Süden vorgesehene norddeutsche Strom keine Abnehmer findet. Die norddeutschen Windenergieanlagen werden daher die Stromproduktion drosseln und teilweise abgeschaltet. Die Betreiber der Anlagen erhalten jedoch auch für nicht produzierten Strom eine garantierte Ausgleichsvergütung. Nach Prognosen werden sich die heutigen Ausgleichszahlungen in den folgenden Jahren auf bis zu 4 Mrd. Euro jährlich erhöhen. Milliarden, die der Stromkunde über Steuern und Abgaben bezahlt.
Der deutsche Stromkunde wird demnach zukünftig mehr für Strom zahlen. Seine europäischen Nachbarn eventuell weniger. Denn, der tatsächlich produzierte, aber überschüssige Strom, wird zu günstigen Preisen in das benachbarte Ausland verkauft. Theoretisch könnte dies dort zu sinkenden Strompreisen für Endkunden führen. Weniger erfreut über den billigen, deutschen Strom sind dagegen die Kraftwerksbetreiber in unseren Nachbarländern. Deren produzierter Strom ist teurer und setzt die Betreiber damit unter Druck. Wegen fehlender Rentabilität sind bereits einige Kraftwerke nicht am Netz.
Dieser Entwicklung hat sich nun auch die EU-Kommission angenommen. Dort gibt es überlegungen, den deutschen Strommarkt in zwei Netzgebiete – Nord und Süd – zu unterteilen. Der Süden müsste dann höhere Abgaben leisten, also mehr für den Strom zahlen als der Norden. Damit soll der Druck auf Deutschland erhöht werden, den Netzausbau schneller voran zu treiben.
Die Bundesregierung hat mit der Neuregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) versucht, das Ungleichgewicht zwischen Stromproduktion und Leitungskapazitäten zu vermindern. Da der Bau der unterirdischen Trassen jedoch nicht per Gesetzt beschleunigt werden kann, wurden Beschränkungen beim Bau neuer Windenergieanlagen beschlossen. Für einige Experten eine Abkehr von der Energiewende.
Die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche Eckpfeiler der Energiewende (EEG-Anteil von 40- 45%, Abschaltung Atomkraftwerke bis 2020, Ausstieg aus der Kohle) verschoben werden, ist hoch. Bevor jedoch in Bayern die Lichter ausgehen, werden eher Laufzeiten verlängert.
Welche zusätzlichen Kosten auf den Stromkunden zukommen, wenn Laufzeiten für Kraftwerke verlängert werden, bleibt abzuwarten. Aus Seehofers CSU wurde schon die Idee eines letztendlich steuerfinanzierten Fonds zur Finanzierung der Energiewende ins Spiel gebracht. Damit werden die Preissteigerungen für die Stromkunden begrenzt, die (Tilgungs-)Kosten jedoch auf nachfolgende Generationen abgewälzt. Ein weiterer negativer Nebeneffekt: Strom sparen lohnt sich weniger, wenn Energiekosten über die (verbrauchsunabhängige) Steuer zu tragen sind.
Man kann sich Horst Seehofer vorstellen, am Ende im Zimmer sitzend, mit Blick auf die unverbaute bayerische Landschaft, um sich herum die Trümmer der Energiewende. Verlängerte Laufzeiten bei deutlich höheren Kosten. Und unter dem Teppich befindet sich der „Energie-Fonds“ für die nächste Generation.